Leseproben

 

"Lausche dem Rhythmus der Worte,
schicke deine Gedanken auf Reisen,
dann wirst du den Zauber anderer Welten
entdecken."


 

Schön, dass Sie den Weg zu meiner Webseite gefunden haben!

Allen Besuchern wünsche ich viel Freude beim Entdecken, Lesen und Stöbern.

 

Herzlichst Dorothea Möller

 

Leseproben

 

Der Geist im Gästebett


Plötzlich, mitten in der Nacht schreckte Amelie hoch. Da waren doch Schritte... - nein, das konnte nicht sein! Ihre Wohnung war beinahe so sicher wie ein Gefängnis. Jeder Einbrecher würde sich die Zähne an ihren Sicherheitssystemen ausbeißen und vorzeitig aufgeben, ehe er ins Haus käme!

Sie lauschte in die Dunkelheit. Da, da war wieder, das Geräusch. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Das konnte, nein, das durfte nicht wahr sein! Himmel was sollte sie jetzt machen?

„Beruhige dich erst einmal“, redete sie sich selbst in Gedanken gut zu.

„Du bist völlig überdreht.“ Ob es an dem Halloweenfilm lag, den sie im Kino angesehen hatte? Sie mochte Gruselfilme nicht, doch ihre Freunde hatten sie überredet einmal mitzugehen. Sie lauschte erneut. Endlich betätigte sie den Lichtschalter und schlüpfte rasch in ihre Jeans. Es war kurz vor drei Uhr in der Früh.

Mit dem Handy im Taschenlampenmodus in der einen, und dem Baseballschläger in der anderen Hand schlich sie aus ihrem Schlafzimmer. Nach und nach inspizierte Amelie alle Räume, nur das Gästezimmer fehlte noch. Erleichtert stellte sie sich gedanklich darauf ein, schlecht geträumt zu haben.

Langsam öffnete sie die verschlossene Tür. Sie lauschte einen Moment, ehe sie den Lichtschalter betätigte. Im nächsten Moment schrie sie laut auf.

„Oh mein Gott! Wer sind Sie? Wie kommen sie hier herein....?“

Eine kleine alte Frau im Krankenhausnachthemd blinzelte ihr entgegen.

„Nun beruhige dich mal Mädchen! Ich glaub` du weißt nicht was heute ist.., es ist die Nacht in der die Wände zwischen den Welten dünn werden... “

Fassungslos, immer noch nach Worten suchend sah Amelie die Frau an.

„Sie müssen wahnsinnig oder dement sein“, flüstete Amelie entsetzt und umfasste den Schläger etwas fester.

„Weder noch! Was glaubst du wohl, wer ich bin? Mit Sicherheit nicht die Guten-Morgen-Fee!“, stellte die Frau fest. „Ich gehöre schließlich zur Familie und habe jedes Recht hier zu sein!“

„Garantiert nicht“, konterte Amelie, deren Verstand wieder logisch zu arbeiten begann und den ersten Schrecken überwunden hatte.

„Wieso tragen Sie ein Krankenhausnachthemd... und offensichtlich nichts drunter“, stammelte sie.

„Das ist nun mal so, wenn man auf dem OP-Tisch verstirbt! Wie blöd kann man sein“, grantelte die Alte jetzt.

„Wer um Himmels Willen sind Sie?“ Amelie spürte die Anspannung. Ihre Stimme klang genervt.

„Also, ich höre!“

„Gut, ich bin Antonia Theodora von Klettenbusch, gestorben 1922 - und deine Urgroßmutter! Du warst noch nicht auf der Welt, daher kennst du mich nicht.“

Amelie schüttelte entnervt den Kopf. „Ich rufe jetzt die Polizei und lasse Sie abholen!“

„Versuche es, sie werden niemanden antreffen. Es gibt keine Einbruchsspuren, und du machst dich lächerlich!“

„Das ist unmöglich!“, stöhnte Amelie jetzt. „Ich glaube, ich brauche erst mal einen Cognac...“

„Gute Idee, gieß mir auch einen ein! Man trifft schließlich nicht alle Tage seine hysterischen Urenkel.“

Völlig verwirrt goß Amelie zwei Gläser ein und reichte ein Glas der Frau, die behauptete ihre Urgroßmutter zu sein.

Als sie ausgetrunken hatte, war sie bereit, die Frau anzuhören, ehe sie weitere Schritte unternahm. Zu groß war ihre Neugier.

 

Beide saßen sich im Wohnzimmer gegenüber und im Laufe des Gesprächs wurde Amelie immer klarer, dass ihr tatsächlich die verstorbene Uroma gegenüber saß und Cognac mit ihr trank. Gemeinsam sahen sie sich die Fotoalben an. Amelie erfuhr Dinge aus der Familie, die sie noch nicht wusste und bemerkte, dass die Anekdoten, die ihre Uroma preis gab, durchaus der Wahrheit entsprachen...

Gegen sechs Uhr in der Früh, sagte Antonie Theodora plötzlich: „Jetzt wird es Zeit für mich zurückzukehren. Zwischen Weihnachten und Neujahr komme ich wieder. Mach uns dann etwas anständiges zu Essen. Ich hoffe du kannst kochen! Den Magenbitter nach dem Essen spendiere ich. Außerdem bringe ich einen alten Scotch Whiskey mit. Der Cognac war nicht übel, aber mein Whiskey ist besser...“

In der kurzen Zeit erzählte ihre Urgroßmutter so viele Erlebnisse und Begebenheiten aus der Familie, dass Amelie ihr nicht nur glaubte, sondern auch verstand. Sie stellte fest, dass sie sich damit abfinden musste, Geister zu sehen. Es war ihre Gabe und im Laufe der Zeit würden ihr vermutlich weitere Überraschungsgäste aus ihrer Familie ins Haus schwirren....!

 

 

 

Meine Träume ziehen nach Norden...

wo das Wasser klarer,

die Luft kälter und

die Vegetation spärlicher wird,

wo es eher rauh und ungastlich für den Menschen wird.

Aber gerade dort, wo Eis und Schnee dominieren, ist unsere Erde am unberührtesten, am unerforschtesten.

Für Archäologen eine Schatzkammer voller geschichtlicher Fundstücke, die Aufschluss über einige Probleme von heute geben kann - Vegetation einst und jetzt, sowie unseren vielzitierten Klimawandel. Die Erdschicht isst dünner und die Naturgewalten, die hier noch am Werk sind, sind für den Menschen erfühlbar und erlebbar. Warme Quellen und Geysire, Wasserfälle, Gletschereiswüsten oder Vulkane, Tiere im ureigensten Lebensraum statt in Zoogehegen und Tiergärten oder Shows. Möglicherweise finden sich hier bald keine Gletscher mehr. Wie wird sich der Wandel vollziehen?  Welche Auswirkungen wird er für uns alle haben?

In den Nordländern begünstig das ozeanisch, meist kühle Klima eher frische Sommertage und mitunter milde Winter. Daher werden nun vielfältige Urlaubsmöglichkeiten geboten: Hundesschlittenrennen, Wanderungen und Bergbesteigungen, Eistauchen, Kanutouren oder Whale watching, arktische Kreuzfahrten und Erlebnistouren zu den Einheimischen mit Souvenierverkauf.

Diesen Lebensraum haben wir Menschen glücklicherweise noch nicht ganz erobert. So bleibt zu hoffen, dass die Faszination für die noch nicht ganz entschlüsselte, einzigartige nordische Natur hoffentlich noch sehr lange für Träumereien erhalten bleibt.

 

Diese Geschiche stammt aus dem 2. Band der Herzbuchtrilogie vom Elbverlag

 

 

Demenz und Alzheimer sind stetig wiederkehrende Themen unserer Gesellschaft. Vor einigen Jahren gab es ein Projekt, welches sich mit Demenz beschäftigte. Seinerzeit habe ich mit einer sehr authentischen Geschichte daran teilgenommen, die im E-Book vom Kater-Verlag erschienen ist. Bei diesem Projekt ging es auch darum, Möglichkeiten der Hilfe und mit dem Umgang dieser Krankheit aufzuzeigen.

 

Gegen das Vergessen

Als eine meiner Großmütter im betagten Alter von zweiundachtzig Jahren langsam vergesslich wurde, war das für mich mit meinen gerade mal zwanzig Jahren ein
völlig normaler Prozess. Sie erzählte allen immer gern, was ihr widerfahren war, ob beim Einkaufen oder die Neuigkeiten aus der Nachbarschaft. Irgendwann veränderte sich ihr Erzählbild innerhalb weniger Monate: Nicht nur, dass sie Dinge mehrfach erzählte, sie vermischte alte Begebenheiten, die schon Jahre zurücklagen mit aktuellen Geschehnissen. Plötzlich berichtete sie uns, dass ihr ältester Sohn mit der Nachbarin ausgegangen sei (ihr älteser Sohn war nach dem zweiten Weltkrieg nicht zurückgekehrt!). Meine Eltern sagten ihr, dass sie etwas durcheinander brächte. Das war nicht die erhoffte Antwort oder Stellungnahme, die sie erwartet hatte. Sie schimpfte los, »Diese Frau ist nicht die Richtige für meinen Sohn, die passt nicht zu ihm, die braucht er nicht mit nach Hause bringen ...« Das war der erste, unerklärliche und zugleich hysterische Ausbruch von ihr. Wir machten uns eigene Gedanken dazu, warteten aber erst einmal den Verlauf ab. Es vergingen Wochen, ehe sie mit neuen Dingen für Verwunderung sorgte. Bis dahin hatte sie allein in einem kleinen Zechenhaus gelebt, doch die merkwürdigen Erzählweisen beunruhigten
meine Eltern dann doch sehr. Zum Hausarzt ging sie extrem selten, sie war, bis auf einen grippalen Infekt selten krank. Zudem hatte sie ein gestörtes Verhältnis zu Ärzten – »alles
Geldmacherei« war ihre Lieblingsaussage. Nachdem ich als zweite Enkelin die Ausbildung im medizinischen Bereich anstrebte, war sie nicht gut auf mich zu sprechen. Dabei gab sie monatlich viel Geld in der Apotheke aus, um Vitamin- und Kopfschmerztabletten zu kaufen. Dem Apotheker, den sie seit vielen Jahrzehnten kannte, vertraute sie mehr, als dem jungen Arzt, der die Praxis von ihrem Hausarzt übernommen hatte.
Im jenem Herbst rief uns eine Nachbarin an, bat uns, nach Oma zu sehen, da die Jalousien gegen Mittag noch unten waren. Sie befürchtete das Schlimmste. Aufgeschreckt von der Nachricht, rief meine Mutter mich sofort an. Wir fuhren gemeinsam hin. Als wir ankamen waren die Jalousien noch unten. Glücklicherweise hatte mein Vater einen Schlüssel  für Notfälle vom Haus, so dass wir nicht noch die Tür aufbrechen oder gar einen Schlüsseldienst informieren mussten. (Er hatte bereits vor Jahren dazu gedrängt, dass er oder einer seiner Geschwister einen Schlüssel für Notfälle zum Haus erhielten). Meine Eltern gingen zunächst in die Küche und das Wohnzimmer. Alles wirkte wie immer. Oma war nicht im Bad oder lag zum Beispiel nach einem Sturz vor der Toilette. Meine Eltern waren unsicher.  Keiner von ihnen wollte hinauf in ihr Schlafzimmer gehen ... Die Sorge stand ihnen ins Gesicht geschrieben. So fasste ich mir ein Herz und ging bereits die ersten fünf Stufen auf der alten knarrenden Holztreppe hinauf. In diesem Moment wurde oben die Schlafzimmertür aufgerissen. Oma kreischte fürchterlich böse: »Verschwinde oder ich ziehe dir einen über... Ich lass mich nicht von euch beklauen!« In diesem Moment bekam ich richtig Angst vor ihr. Ein wilder Gesichtsausdruck im Gesicht, das wehende Nachthemd um die dünnen Beine und der Knüppel in der Hand verhießen nichts Gutes!. »Mutter, was soll dass denn, leg den Stock weg! Niemand will dich beklauen, wir machen uns Sorgen um dich!« Mein Vater hatte sehr energisch miti hr gesprochen und offenbar wurde ihr durch seine Stimmlage bewusst, dass etwas Merkwürdiges vor sich ging. Meine Mutter wirkte nicht minder geschockt als ich. Sie gab mir ein Zeichen mich von der Treppe zurückzuziehen,was ich sofort tat. Mein Vater übernahm die weitere Gesprächsführung. Omas Tonfall wurde zwar freundlicher, da sie uns nun offensichtlich erkannte, dennoch lag Argwohn in ihrer Stimme. Sie wusste nicht, welche Tageszeit war. Erneut schimpfte sie meinen Vater aus:»Warum kommt ihr mich denn mitten in der Nacht besuchen ...?« Damals hatte ich wirklich Angst, dass sie mich verhauen könnte...  Meine Eltern sahen ein, dass Erklärungsversuche in diesem Fall nicht fruchteten.  So gingen sie nicht intensiver auf de nmomentanen Zustand ein. Sie fragten nach allgemeinen Sachen und entschärften die Situation. Meine Mutter ging zwischenzeitlich zur Nachbarin von gegenüber und informierte sie, dass alles in Ordnung sei, Oma aber desorientiert wirke. Im Gespräch erfuhr sie, dass Oma seit einigen Wochen mehrfach in der Nachbarschaft geschellt habe und nach Milch, Eiern oder Mehl zum Backen gefragt habe. Man erzählte sich bereits, dass sie langsam vergesslich wurde oder gar »durchdrehte«, weil sie allein lebte. Nachdem mein Vater seine Geschwister informiert und ein Gespräch mit ihnen geführt hatte, waren die nächsten Schritte klar: Wir schalteten zuerst den Hausarzt ein, der sie noch nicht kannte. Er hatte lediglich die alten Papiere seines Vorgängers übernommen. Der Arzt kam glücklicherweise zum Hausbesuch am nächsten Tag, so dass Oma nicht erst überzeugt werden musste, in die Praxis zu einem Arzt zu gehen. Lange Gespräche mit ihr hätten zu nichts geführt, außer Zündstoff - sie war sehr eigenwillig. Wenig erfreut über den fremden jungen Mann, der ihr den Blutdruck messen wollte, ließ sie sich aber von seiner ruhigen Art beeinflussen und sogar Blut abnehmen. Im Laufe der Untersuchung sagte sie ihm, dass er ausgesprochen »süß sei und er sollte, statt ihr die Hand zu halten (er zählte beiihr den Puls), lieber mir die Hand halten. Als er sich verabschiedete, hielt sie ihn bereits für meinen Freund, mit dem ich zusammen arbeiten würde ...Die Peinlichkeiten, in die sie mich an diesem Nachmittag katapultierte, waren nicht von Pappe, wenn auch im Nachhinein zum Lachen. Ich entschuldigte mich bei ihrem Hausarzt, da mir die Situation ausgesprochen unangenehm war. Er tröstete mich mit den Worten: »So einen Hausbesuch habe ich auch noch nie erlebt, es war aber richtig lustig! Beim nächsten Mal sage ich Ihrer Oma, dass wir einen Hochzeitstermin ausgesucht haben, mal sehen, ob sie was merkt oder es glaubt ...« und lachte herzlich dazu. Die Sache war also nicht so schlimm, wie ich sie empfunden hatte ....Für die »Soforthilfe« bei Oma sprang die Nachbarin von gegenüber netterweise ein und fragte jeden zweiten Tag, ob Oma etwas Frisches aus dem Supermarkt oder vom Bäcker benötigte. Am folgenden Wochenende war immer jemand bei ihr, nahm sie mit zum Einkaufen, führte still Regie, damit sie einen geregelten Tagesablauf erlebte, was sehr wichtig war. Die Blutwerte zeigten Vitaminmangelerscheinungen trotz der Pillen aus der Apotheke.Sowie einen erhöhten Blutzuckerspiegel. (Die Röhrchen mit den Vitaminen lagen zum Teil abgelaufenim Schrank)  Die durchgeführten Tests ergaben eine mittelschwere Demenz. Zuerst sahen wir uns ihren Medikamentenvorrat an. Was sie im Laufe von fast fünf Jahren zusammengekauft hatte, war reichlich – aber abgelaufen. Gut, dass sie die Medikamente nicht eingenommen hatte. Ab sofort teilten wir die verordneten Medikamente zu und ein Pflegedienst kam zu ihr ins Haus, der sie am Morgen beim Ankleiden und Einnehmen der Medikamente unterstützte. Da sie nochmkeine Pflegestufe bekommen konnte, erzählten wir ihr, es sei die Tochter der Nachbarin, die nach dem Rechten sehe ... (was sie uns glaubte). Sie litt unter Stimmungsschwankungen, dabei zeigte sie langsam aber sicher massive Verhaltensveränderungen. Zuerst verlor sie die Fähigkeit selbst zu kochen, wusste nicht, wie sie Kartoffeln schälen oder einen Kaffee kochen sollte. Sie wurde zunehmend verwirrter, baute geistig stärker ab, konnte sich nicht mehr genau orientieren, z. B. wo sie wohnte, oder lief im Winter in Hausschuhen und ohne Mantel draußenim Garten herum um Obst zu ernten... Sie war unzufrieden, unleidlich und beschimpfte uns, ihr das Obst weggenommen zu haben. Die Phasen wechselten, es war absehbar, dass eine Lösung für ihren Aufenthaltsort gefunden werden musste. Die Geldgeschäfte regelte bereits mein Onkel - er bezahlte Miete, Versicherungen, Tageszeitung und Telefon. Meine Tante holte sie innerhalb des Jahres zu sich in die Wohnung. Glücklich war niemand über die Situation und kein Arzt vermochte zu sagen, ob Oma früher oder später nicht doch ins Heim musste.Die Alternative bei der Tochter zu leben, ging von meiner alleinstehenden Tante aus. Oma war nicht mehr in der Lage allein zu leben. Einmal in der Woche richteten wir einen »Oma-Tag« ein, an dem wir sie abwechselnd besuchten oder auch am Wochenende zu den anderen Familienmitgliedern mitnahmen, um so meine Tante zu entlasten. Selbstverständlich freute sich unsere Tante auf ihre »freien Tage«. Es war sehr belastend, die eigene Mutter wie ein Kind zu maßregeln, ständig etwas erklären zu müssen oder auch zu verbieten. Manchmal halfen alte Schlager oder klassische Musik, Oma zu besänftigen, wenn sie wieder einmal Weglauftendenzen oder Aggressionen zeigte. Die zeitliche und örtliche Orientierung war oftmals nicht vorhanden. Wir spielten alte Kinderspiele mit ihr, sangen Kinderlieder, rezitierten Abzählreime oder zeigten ihr alte Fotoalben. Wir kauften ein Spiel, welches sich mit Bauwerken und der Geschichte ihrer Heimatstadt beschäftigte. Als sinnvoll erwiesen sich Karten mit Sprüchen oder Bauernregeln. Davon wusste sie anfänglich noch eine ganze Menge. Sie hatte Freude am Memoriespiel und hin und wieder gelang es ihr ein einfaches Kreuzworträtsel zu lösen. Die Tagesform war ausschlaggebend. Wir hofften, sie so lange wie möglich in einer vertrauten Umgebung mit der Familie lassen zu können. Als sie in das Stadium einer schweren Demenz eintrat, wurde sie zeitweilig aggressiv, besonders dann, wenn sie etwas nicht wollte. Nur mit alten Fotos ihrer Kinder und ihres verstorbenen Mannes konnten wir sie besänftigen. In ihren Gedanken wurde sie offensichtlich wieder die junge Mutter, die für ihre kleinen Kinder in Kriegszeiten sorgte. Wir versuchten ihrer Vergesslichkeit solange wie möglich entgegenzuwirken, weil sie selbst spürte, dass etwas nicht stimmte.Mit fünfundachtzig erlitt sie einen Schlaganfall, wurde künstlich ernährt. Acht Wochen später starb sie. In der Nacht. in der sie verstarb, hatte sie klare Momente, erkannte kurzfristig ihre Tochter und wusste, dass sie sich nicht mehr in ihrem eigenen Haus befand.
Unsere Stärke waren die Absprachen in der Familie, die gemeinsam versucht hat, ihre Erkrankung zu begleiten. So war es möglich, Oma in vertrauter Umgebung zu pflegen. Alles, was man entscheidet, sollte zum Wohl des Betroffenen oder besser des erkrankten Menschen erfolgen. Streitereien oder verletzte Eitelkeiten müssen in so einem Fall an zweiter Stelle stehen – man muss miteinander reden, auch unpopuläre Entscheidungen für den hilfsbedürftigen Angehörigen treffen, die ihn vor sich oder auch voranderen schützen. Dazu gehören zum Beispiel eine Dementenwohngruppe oder eine Heimunterbringung. So ungern man als Angehöriger auch an diese Option denkt, oder sie beschließt, nur hier gibt es letztendlich Hilfen, die man als pflegender Angehöriger allein nicht leisten kann!

 

Die fehlende Leitplanke!

Es gab viele Unterschiede zur Zeit des sogenannten Sozialismus und Kapitalismus. Nicht nur die Meinung unterschied die Menschen, auch ihre Lebenseinstellung sowie ein gewisses Lebensgefühl.

Meine Mutter war für die Familie meines Vaters eine von „Drüben“. So war es nicht verwunderlich, dass ich mich mehr zur Großmutter mütterlicherseits hingezogen fühlte, trotz schlechterer wirtschaftlicher Verhältnisse oder oftmals kleiner Präsente zu bestimmten Anlässen. Es spielte keine Rolle!

So war es selbstverständlich, dass ich nach dem Mauerfall mit den Eltern und mit Ehemann und Kindern häufiger nach Mecklenburg reiste. Hier fühlte ich mich quasi „Daheim“ - mitten im Herzen der Mecklenburger Seenplatte. Als Kind war ich öfter in den Ferien dort. So kannte mich recht gut aus und zeigte voller Freude meinem Mann und den Kindern all die Orte, die in meiner Kindheit wichtig für mich waren. Ich hatte viel Dinge erlebt, welche Stadtkinder normalerweise nicht erleben:

Traktorfahrten und Sandpisten-Rallyes gehörten ebenso dazu, wie Pilze und Kräuter sammeln, das Angeln von Barschen und Hechten im See hinter der Pferdekoppel. Kartoffeln ausbuddeln, Wildtierfütterungen mit dem Förster oder Ansitzen bei Mondschein zur Jagdsaison, ebenso die Wache auf einem Feuerturm bei Waldbrandgefahr.

An einem Sommerabend war es spät geworden. Fast die gesamte Familie hatte sich versammelt. Unser jüngstes Kind war strahlender Mittelpunkt zwischen den zehn- bis vierzehnjährigen Mädchen und Jungs. So war es nach all der Zuwendung kaum verwunderlich, dass dieses Kind dezent überdreht, weinerlich und müde wurde. Daher fuhren wir noch einmal mit dem Auto los. Wir wussten, es würde nicht lange dauern bis sich der Schlaf einstellte.

Mein Mann wollte bei dieser Gelegenheit unbedingt zum Drewitzer See fahren, um Fotos vom See und der Waldlandschaft zu machen. Unser Kind schlief, wie erwartet, nach zehn Minuten ein. Mein Mann machte atemberaubende Bilder vom Sonnenuntergang über dem See, während ich auf einem schmalen Weg versuchte zu drehen. Beidseits war dichter Strauch oder Baumbewuchs vorhanden, was die Aktion extrem schwierig gestaltete. Also fuhr ich den Weg hinauf und suchte dort nach einer Schneise oder einem Waldweg zum Drehen. Nach einer scharfen, steil bergauf führenden Kurve hatte ich plötzlich nur noch wenige Meter Wegstrecke vor mir. Vor Schreck bremste ich schärfer ab, als beabsichtigt! Vor mir endete der Weg. Eine geteerte Straße schloss sich T-förmig an. Leitplanken wurden beidseits sichtbar und ich stand am Ende eines Waldweges, der direkt auf die Autobahn nach Rostock führte, unter deren Brücke ich einige Zeit zuvor unten an der Straße gefahren war…

Es gab keine andere Möglichlichkeit, als den gesamten Weg im Rückwärtsgang zurückzufahren, ehe sich weit unten am Waldrand eine Gelegenheit zum Wenden bot.

Meine Großmutter kannte diese Waldzufahrt zur Autobahn nicht und war nicht minder überrascht wie wir, als wir davon erzählten.

Auch die anderen Verwandten hatten keine Ahnung von der Existenz einer offensichtlich provisorischen Zu-/Abfahrt von der Autobahn durch den Wald. Der Einzige, der davon wusste, war mein Onkel – ein pensionierter Kriminalbeamter.

Er wusste, dass mitten im Wald die obskure, sehr versteckt liegende Zufahrt zur Autobahn existierte. Dies sei lange Zeit eine geheime Zufahrt von Erich Honecker gewesen. Über sie kamen Parteifreunde schnell und unkompliziert zu seinem Haus am Drewitzer See, welches von der nicht gekennzeichneten Autobahnabfahrt nur circa zwei Kilometer entfernt lag. Jeder der es nicht wusste, nahm an, dort würden die Förster in den Wald fahren. Es gab also auch im Osten Extras für höhergestellte Persönlichkeiten, wie im Westen! So unterschiedlich waren die Systeme scheinbar nicht, was Vorteile anging!

Anmerkung:

Diese Geschichte ist nicht fiktiv! Die Zufahrt wurde in den 90-er Jahren, wie oben geschildert im Wald versteckt, von uns entdeckt!



"Der Schrankmarder"

Mit Geschwistern oder Schwestern aufzuwachsen ist eine Herausforderung. Ganz besonders, wenn die Mädchen alterstechnisch recht nahe beieinander liegen....

Witzig fand ich als Kind immer die Erzählungen, wenn bestimmte Kleidungsstücke meiner Mutter plötzlich im Schrank fehlten. Sie, ihre Schwester und Cousine hatten nicht nur dieselbe Figur, nein sie lagen auch vom Alter her dicht beieinander. So war es nicht verwunderlich, wenn beispielsweise ein besonders schönes Paar Ringelsöckchen oder die Lieblingsbluse aus dem Schrank verschwanden. Meine Tante war der Typ Mensch, der sich schon in der Schulzeit besonders gern hübsch machte, Schleifen und Zierrat mochte und viel Zeit vor dem Spiegel verbrachte. Die Interessen der beiden anderen Mädchen lagen nicht so sehr auf dem „Gedöns“ an der Kleidung. Mit ihrer praktischen Art erledigten sie zuerst die ihnen aufgetragenen Arbeiten, ehe sie Zeit vor dem Spiegel mit Anproben verbrachten.

So geschah es des Öfteren, dass die Älteste sich durch den Kleiderschrank der beiden jüngeren wühlte, da ihre eigenen Kleidungsstücke schon wieder gewaschen werden mussten. Auf die Idee, zu fragen, obe man sich ein Teil ausleihen dürfe, kam sie nicht.

Der „Diebstahl“ wurde mehrfach bei der Mutter beklagt, die sich dezent aus den Reibereien der Kinder und Nichte heraushielt, indem sie ihnen riet, besser auf die Sachen aufzupassen. Bald versteckten die jüngeren Mädchen ihre Lieblingsstücke, sobald feststand, dass sie sie selbst zu einem besonderen Anlass tragen wollten.

Aber auch in diesen Verstecken waren ihre Sachen nicht sicher und verschwanden je nach Bedarf der großen Schwester.

 

Meine Mutter war irgendwann so sauer, dass sie einen Plan schmiedete, wie sie ihre Schwester abschrecken könnte.

Sie präparierte eine Mausefalle und legte das Katzenspielzeug, eine Gummimaus, hinein. Hilla ekelte sich vor allem Getier, insbesondere Mäuse. Die stellte sie zwischen ihren Halstüchern in die Schublade. Eine weitere Falle – allerdings nicht gespannt – verschwand unter ihren Pullovern. Auf diese Weise hoffte sie dem Gewühle in ihrem Schrank endlich ein Ende zu bereiten.

Bereits am nächsten Morgen sahen die Mädchen, wie Hilla ins gemeinsame Zimmer verschwand. Beide schlichen ihr bis zur Türe nach. Wieder wühlte Hilla in allen Schubladen auf der Suche nach passenden Accessoires, bis ein spitzer Schrei die Stille durchdrang. Die beiden Mädchen an der Türe konnten ihr Lachen nicht mehr zurückhalten und ertappten sie mit der Mausefalle in der Hand.

„Ihr seid so gemein!“, maulte Hilla beleidigt. „Ich habe gedacht, die Maus ist echt.“

„Was suchst du auch in unserer Wäscheschublade“, war die prompte Antwort. Eine Woche schmollte sie, aber, seit dieser Zeit fragte Hilla, ob sie etwas ausleihen durfte.

 

Jahrzehnte später schenkte meine Mutter ihr ein wunderschönes Seidentuch zu Weihnachten. Als sie es verpacken wollte, kam ihr eine Idee. Sie bemalte eine neue Mausfalle und beschriftete sie mit dem Wort „Schrankmarder“. Dann zog sie vorsichtig das Seidentuch hindurch und verpackte es.

Als Hilla das Stück im Kreise der Familie auspackte, musste sie laut lachen. Derweil erzählte Oma uns Kindern die Geschichte von der Mausefalle mit der Gummimaus in der Schublade.

 

 

 

Vater braucht ein Hobby

Der Ruhestand meines Vaters war für die gane Familie eine Herausforderung. Allein seine Ankündigung endlich alles in Angriff zu nehmen, war bislang liegen geblieben war, ließ uns aufhorchen. Da unser Vater einem handwerklichen Beruf erlernt hatte, besaß er diverse Maschinen, die im Keller ihren Platz fanden. Selbiger war bereits von ihm „umorganisiert“ worden. Das Regal mit Mutters Einweckgläsern stand nun an der schmalen Seite, im hintersten Winkel des Kellers. Mutter schüttelte bislang nur den Kopf über seine Planungen, schwieg und ließ ihn gewähren.

„Lasst ihn so viele Veränderungen vornehmen, wie er mag“, sagte sei zu uns. „Hinterher ändert er es eh wieder....“ Dabei grinste sie wissend, ohne weiter Stellung zu nehmen.

Endlich hatte Vater seinen letzten Arbeitstag absolviert. Voller Vorfreude stürzte er sich ins Vergnügen alle Erledigungen auszuführen.

Anfangs schien unsere Mutter froh zu sein, wenn er ihr im Haushalt nicht ständig um die Füße wuselte oder zum Einkaufen begleitete. Bereits in der vierten Woche seines Rentnerdaseins beschwerte sie sich, dass es keine Möglichkeit mehr für sie gäbe, mit Ruhe durch die Geschäfte zu gehen. „Alles muss schnell gehen. Euer Vater rast durch die Geschäfte, als habe er einen Propeller auf dem Rücken. Dabei vergesse ich Sachen einzukaufen die auf meiner Liste stehen, weil er wie ein gehetzter Manager delegiert und mir nicht die Chance gibt, in alle Bereiche des Supermarktes zu gehen“, machte sie ihrem Ärger Luft. Meine Schwester konnte sich das Kichern nicht verbeißen, was ihr einen bösen Blick von Mutter einbrachte.

„Vater braucht ein Hobby!“, entschieden wir einstimmig. Was gar nicht so einfach schien.

Sollte er das Kochen erlernen, so fürchtete Mutter, er würde sie nicht mehr an den Herd lassen - allenfalls um Pudding zu kochen. Das Programm der Volkshochschule landete wie gerufen in unserm Postkasten. Der Töpferkurs schien der geeignete Kurs für ihn zu sein. Ein Kurs für Anfänger in Plattentechnik. Nachdem der Kurs zu Ende ging, kaufte Vater ein zehn Kilopaket Ton und startete am Küchentisch mit dem Ausschlagen der Tonmasse. „Zuerst muss man die Luft auf dem Material schlagen“, erklärte er uns. Dabei nahm er den Tonklumpen und schlug ihn im monotonen Rhythmus auf den Tisch. Als er fertig war holte er Mutters Nudelholz zum Backen hervor und rollte den Klumpen aus. (Was Mutter dazu sagen würde, wenn sie sah, dass er ihre Teigrolle dafür nutzte, wagte ich mir nicht auszudenken....) Die gefertigten Kunstwerke, einen Florentinerhut, ein Namensschild für die Wohnungstür und ein Wandbild legte er zum Vortrocknen auf eine Lage Zeitungspapier ins Bad seitlich vom geöffneten Fenster. Er säuberte den Küchentisch und räumte seine Utensilien zusammen. Die Teigrolle warf er achtlos ins Waschbecken.

Zur Mittagszeit erschien Mutter. Ihr Blick zeigte Ansätze von Entsetzen, wenn sie sich auch sonst nichts anmerken ließ. Mit der Bürste schrubbte sie die Tischkanten sauber in denen Tonrückstände klebten und säuberte im Anschluss ihre Kuchenteigrolle. Ihrem Gesicht nach hätte sie die Rolle liebend gern unserem Vater auf den Kopf gehauen. Aber sie schwieg – noch!

 

Es wurde Herbst und somit mussten die Obstbäume bei unserer Großmutter abgeerntet werden. An einem Samstag fuhr die gesamte Familie mit den Rädern los. Äpfel, Birnen und Pflaumen waren beinahe zeitgleich reif und wurden geerntet. Das bedeutete viel Arbeit, alles zum Einfrieren oder Einwecken vorzubereiten.

Daheim schälten und schichteten wir alles in die Einweckgläser, während Vater den alten Waschkessel vorheizte. Die Gläser standen auf einem Holzgestell, welches den unebenen Boden des alten Waschkessels ausglich. Vater blieb unten im Keller, überwachte die Einkochzeit und kontrollierte die abkühlenden Gläser auf Dichtigkeit...

Zum Winter wurde es arbeitstechnisch ruhiger, auch die Gartenarbeiten waren abschlossen. Vater wurde immer kribbeliger – er hatte nichts zu werkeln oder eine erfüllende Aufgabe. Also machte er sich dran ein neues Sideboard zu bauen.

Mutter verschraubte die Augen und wies ihn daraufhin, kein zu dickes Holzbrett zu nehmen.

Nach mehreren Tagen im Keller tauchte Vater mit seinem neuen Board auf. Länger und dicker als das Alte. Dicke Dübel sollten dem Ganzen Halt geben. Als es endlich an der Wand hing, wirkte es unpassend wie klobig. „Wie gefällt es Euch?“

„Wie ein Sideboard, eben“, erwiderte ich ausweichend.

„Das ist ein ziemlich dickes Brett fürs Radio“, wagte meine Schwester eine Vorstoß

„Und was sagst du“, fragte Vater an unsere Mutter gewandt.

„Im Keller macht es sich sicher besser!“, brummte sie und verließ die Küche.

„Was hat sie denn?“ Vater wunderte sich.

Eine Woche hing sein neues Sideboard, danach schraubte er es ab. Ob die anklagenden Blicke unserer Mutter oder unsere Bemerkungen ihn dazu veranlassten weiß ich nicht.

Tatsache war, Vater verlor vorerst die Lust an seinen Projekten, Zwischenzeitlich gab es noch ein Malheuer mit einem Hängeschrank, der plötzlich absackte und schräg an der Wand hing, da der Dübel offenkundig nicht lang genug war...!

Seither geht er regelmäßig mit einigen Rentnerkollegen zum Schwimmen.

Im Frühjahr planen sie eine mehrtägige Radtour und er beabsichtigt bei Oma mit Hilfe unseres Bruders neuen Werkzeugschuppen bei Oma zu bauen.

Dort wollen die „Heimwerker“ dann zukünftig ihre Projekte in Angriff nehmen...

Heimlich nach Haithabu

Das Geräusch von raschelnden Segeln ließ mich hochfahren. Ehe ich mich bewegte, lauschte ich erneut. Tatsächlich, es waren die Segel, die im Wind knisterten. Innerlich jubelte ich. Wir waren unterwegs und niemand konnte mich jetzt noch zurückschicken. Langsam kroch ich hinter den beiden Seekisten hervor, wo ich mich die ganze Zeit versteckt hatte. Die Felle meines Vaters boten mir ein gutes Lager, so dass ich wohl eingeschlafen war, nachdem ich mich auf das Schiff geschlichen hatte. Das Knurren meines Magens brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Es war so laut, dass fürchtete man könnte es oben an Deck hören.

Aber vielleicht sollte ich der Reihe nach erzählen, wieso ich mich als neunjähriges Mädchen versteckt auf dem Schiff meines Vaters befinde:

 

Ich heiße übrigens Randi – von Runhild. Unser Vater ist Kaufmann oder Pelzhändler, wie wir Wikinger sagen. Er ist viel unterwegs, um Felle aus Norwegen, Schweden und Finnland aufzukaufen. Mein Zwillingsbruder Magnus darf ihn hin und wieder auf den kurzen Verkaufsfahrten nach Haithabu auf dem Schiff begleiten, während ich daheim bei Mutter bleiben muss, Korn mahle, webe, nähe und rechnen lerne... Immer heißt es, du bist zu jung!

Manchmal bringt Vater süßes Gebäck, Perlen für Armbänder oder Ketten, Beinstein und einen Ledergürtel mit. Doch ich möchte für mein Leben gerne selbst Haithabu sehen. All die fremdländischen Händler, die dort ihre Webwaren, feinste Wolle aus England, Schmuck und Spiele aus Speckstein oder Holzschnitzereien und so viel mehr verkaufen.

Mein Bruder Magnus wettete, dass man mich noch vor dem Auslaufen des Schiffes entdecken würde... Hach, der glaubt auch in bin dumm!

In der Nacht, als alle im Haus schliefen, zog ich mir eine seiner Hosen an und schlich unbemerkt hinaus zum Schiffsanleger. Vater hatte nur zwei Wachen zurückgelassen, da unsere Siedlung ein verschlafener Ort ist. Die Männer unterhielten sich, während ich einen Stein in die entgegengesetzte Richtung ins Wasser warf, wo sie erschrocken aufhorchten und hin liefen, um nachzusehen. Schnell rannte ich über den Steg hinauf aufs Schiff.

„Wird ein Hecht gewesen sein“, brummte einer der Männer. Derweil war ich unter Deck, wo die Waren gelagert wurden.

Gerade, als ich herzhaft in meinen Apfel biss, rumorte es lautstark über mir. Ein Tumult brach aus. Stimmen wurden laut, doch ich verstand nur Wortfetzen wie... Schiff voraus..., segelt schneller... Vorsichtshalber versteckte ich mich wieder hinten den Kisten, als ich … PIRATEN.... hörte.

Jetzt wurde mir doch mulmig. Wenn es ein Piratenschiff war, würden sie uns ausrauben und als Geiseln nehmen... Möglicherweise verkaufte man uns im nächsten Hafen, bevor wir Haithabu erreichten... Vor Schreck stellten sich meine Nackenhaare auf.

Unmöglich! Fast in jeder Siedlung entlang der Schlei kannte man meinen Vater, überlegte ich fieberhaft. Das Gejohle wurde lauter. Ein Boot kam längsseits. Männer kamen an Bord. Laute Stimmen riefen Befehle durcheinander. Das Klirren von Schwertern wie Kampfgeschrei war zu hören...

Jetzt bekam ich es zu dem Überfall auch mit meiner eigenen Angst zu tun.

Plötzlich wurde die Ladeluke aufgerissen. Zwei wüst aussehende Männer mit Äxten und Dolchen in der Hand polterten die Stiegen hinab, um ihre Beute in Augenschein zu nehmen. Mein Herz klopfte zum Zerspringen laut und ich fürchtete, sie müssten es hören. Rasch drückte ich mich noch tiefer in die Pelzbündel, als einer von ihnen auf die Kisten zukam. Er hob den Deckel einer Kiste und brummte zufrieden. Beim Schließen des Deckels griff er mit der Hand nach einem Pelzbündel und erwischte meine Weste. Mit einem Ruck zog er mich hoch.

„Schau an, schau an, was haben wir denn hier? Eine blinden Passagier?“, fragte er mich.

Trotzig sah ich ihn an. Das Tuch um meinen Kopf war verrutscht, mein rotblonder Zopf kam zum Vorschein.

„Sogar ein Mädchen...“, grinste er breit. „Für dich bekommen wir sicher einen guten Preis....“, lachte er fies.

Vor Angst machte ich mir jetzt fast in die Hose.

„Los, rauf mit dir!“ Unsanft schubste er mich die Stiegen hinauf.

Die Sonne blendete. Oben angekommen schloss ich kurz die Augen.

Als ich sie wieder öffnete stand mein Vater mit in den Hüften gestemmten Händen vor mir und sah mich bitterböse an.

„Randi! Verflixte Göre! Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht mitkommst?“

Mit gesenktem Kopf stand ich vor ihm.

„Es ist gefährlich für ein Mädchen auf Fahrt zu gehen. Im Moment gibt es ständig Überfälle von Wikingerpiraten! Verdammt, was wäre gewesen, wenn wir wirklich angegriffen worden wären...? Viele von uns wären verletzt... und dich hätte man verkauft!“

Jetzt begriff ich. Magnus hatte mich verpetzt.

Als ich aufblickte, erkannte ich einige der Männer meines Vaters, die zur Mannschaft seines zweiten Schiffes gehörten. Das Klirren von Schwertern, sowie die beiden wild aussehenden Männer sollte mir auf lange Sicht Angst einjagen - was ihnen auch gelungen war.

Das Peinlichste kam noch. Ich musste meinem Vater vor der versammelten Schiffsmannschaft versprechen, mich nie wieder heimlich auf eines seiner Schiffe zu schleichen oder mich als Junge zu verkleiden.

Zum Umkehren blieb trotzdem keine Zeit.

So kam es, dass ich in Begleitung meines Vaters und einiger waffenfähiger Männer in Haithabu mit meiner eigenen Kleidung an Land ging. Auch wenn es nicht so gelaufen war, wie ich es mir vorstellte, schlenderte ich nun an den Verkaufsständen vorbei und konnte mich am bunten Treiben der Händler sattsehen. Vater kaufte Schachfiguren aus geschnitztem Stein für Magnus und süßes Gebäck für die Rückfahrt.

Er hatte gute Geschäfte gemacht und ich konnte darauf hoffen, dass seine Strafe daheim für meinen Ungehorsam nicht so streng ausfiel, wie angekündigt...

Erschienen im Papierfresserchenverlag 2024


Natur vom Frühling wachgeküsst

Mitte März war die Landschaft in der Schwintzer Heide nach kalten Tagen und Regenfällen noch trist. Die Häuserdächer und Straßen im Ort glänzten grau vom Regen. Dicke Wolken hingen tief über den Wäldern und dem See. Man konnte nicht unterscheiden, ob der April oder der November Einzug halten wollten. Es war feucht und kühl - nichts, außer das Datum im Kalender erinnerte an den Frühling.

In diesen rauen Frühlingstagen waren wir für einige Tage zu Besuch bei unserer Großmutter. Vor ihrem Holzbunker lagerte bereits das frisch gesägte Kaminholz, welches noch gehackt und "aufgefleit" werden musste.

Wir entschieden, das Holz zu spalten, ehe es wieder regnete. Ursprünglich war vorgesehen, dass sich die Cousins am Wochenende daran machten, doch wir wollten uns wenigstens ein wenig nützlich machen und so begannen mit dem Hacken. Wir zerhackten dicke Klötze und stapelten die Scheite im Holzbunker. Als der vollgepackt war, lernten wir von unserer Großmutter, wie man eine "Holzmiete" aufstapelt. Das Wetter wurde nach und nach besser, klarte auf, sogar die Sonne kam heraus und wärmte den Boden. Zum Garten umgraben war der Boden allerdings noch zu nass und zu schwer. Innerhalb von zwei Tagen blühten Primeln in den Vorgärten, der Geruch von Hyazynthen, Krokussen und Duftveilchen verbreitete sich. Die Osterglocken, die bislang geschlossen waren blühten auf. Unser damals eineinhalb Jähriger pflückte mit Vergnügen sämtliche Blumen rund um den Garten ab, um sie der Omi zu bringen. Für ihn war jede Blume eine Osterglocke, daher wurde ihr jede einzelne Blüte feierlich mit den Worten: "Da Omi, Osterglocke" überreicht.

Zwischenzeitlich zeigten wir ihm den blühenden Löwenzahn, den er mit Hingabe an die Hühner verfütterte. Gierig stürzten sie sich darauf. Einige Male waren sie so wild und stürmisch, flatterten um ihn herum und rissen das Grün aus seinen kleinen Fingern, dass er auf seinen gepolsterten Pamperspo plumpste.

Das ältere, aufgestapelte und vorgetrocknete Holz an der Hauswand des Forsthauses lockte Spatzen an, die sich Moosreste als Nistmaterial herauspickten.

Die Pferdekoppeln zeigten ein zartes Grün und endlich konnten die Rückepferde Max und Moritz nach ihrer Winterzeit im Stall wieder hinaus. Sie stürmten über die Koppel, sprangen wild vor Freude hin und her, um dann Rast am Seeufer zu machen. Es dauerte einige Tage, bis wir mit der Holzaktion fertig wurden, zumal die Arbeit für uns ungewohnt war. Wir hatten Schwielen an den Händen und einen tüchtigen Muskelkater. Mücken, Schwebfliegen und andere kleine Insekten schwirrten durch die Luft. Die Weißstörche kehrten aus Afrika zurück und nahmen das für sie hergerichtete Wagenrad auf dem Scheunendach in Besitz. Eine kleine Eidechse erwachte aus ihrer Kälterstarre, inspizierte die Holzmiete um rasch darunter zu verschwinden, als wir ihr zu nahe kamen. Die Natur erwachte zum Leben, erwachte aus der Kälteklammer des Winters.

Nach wenigen Tagen wurden die Triebspitzen des Schnittlauchs sichtbar. Am Abreisetag genossen wir ein himmliches Bauernfrühstück a la Omi mit Rührei und frischem Schnittlauch. Dazu gab es Salat aus jungen Löwenzahnblättern, den wir nicht ganz so begeistert aßen, trotz seines hohen Vitamin C Gehaltes, wie Omi uns glaubhaft versicherte... Ich denke, der hat dann den Hühnern besser als uns geschmeckt...!

Innerhalb weniger Tage hatte sich die Natur völlig gewandelt. Blumen blühten, Insekten surrten, die warme Frühlingssonne bräunte unsere Gesichter. Ohne die Sonne wäre der zauberhafte Wandel nicht möglich gewesen.

Anmerkung: Auffleien bedeutet beim Holz Scheite aufstabpeln.

 


Wann beginnt der Frühling?

Eines ist klar, wenn es laut Kalender Frühling wird, dann muss er nicht auch zwangsläufig beginnen!

Ist es vielleicht das Schneeglöckchen oder das erste Grün des Krokus? Sind die Störche, die aus Afrika zurückkehren unsere Frühlingsboten, oder eher die Singvögel? Egal, welche Blume, welches Tier, der Frühlingsbeginn zeigt sich für jeden anders.

Wir spüren, dass die Jahreszeit im Wandel ist.

Die Tage werden bereits Ende Januar merklich länger - ein erstes, untrügliches Zeichen, dass die dunkle Winterzeit vorüber ist. Für kurze Zeit erreichen die ersten Sonnenstrahlen die Erde. Noch befindet sich die Natur in einer Art Wartezeit, um für den richtigen Augenblick gewappnet zu sein. Doch der Kampf der Naturelemente ist zwischen Januar und März noch nicht beendet. Erst wenn die Sonne über dem Horizont höher steigt, besiegt sie die Frühlingsstürme und verdrängt die Kälte. Das rasche Hervorbrechen aller Naturkräfte durch das Keimen von Pflanzen - wie Hyazinthen, Tulpen und Narzissen, zeigen uns den Lebenswillen der Natur.

Die Zeitumstellung ist für viele Menschen dann der endgültige Frühlingsstart. Warum? Ganz klar, weil die Frühjahrsmüdigkeit jetzt beginnt!


Die Mutter meines Vaters sprach in dieser Zeit immer vom "Reinemachen des Hauses". Schon bald stapfte sie, bewaffnet mit Putzeimer, Schrubber und Wischmopp sowie einem Staubtuch in die Küche. Ihr Gesichtsausdruck nahm einen grimmigen Zug an, während sie dem Winterdreck auf den Pelz rückte. Sie blies symbolisch zum Hallali auf Staub und Schmutz. Spätestens jetzt war es an der Zeit die Flucht zu ergreifen, weil sie dann übellaunig loslegte, um auf Schränken und in den Ecken Spinnen zu jagen. Gardinen wurden abgenommen, die Fenster geputzt und neue Gardinen aufgehangen. Es wurde in den Schränken herumgekramt und die letzten Spekulatiien vom Weihnachtsfest hervorgeholt... Unter uns gesagt, wir Kinder sagten immer, "bei Oma gibt es die Vorösterlichen"...!

Manch einer räumt, wie auf ein geheimes Signal, die Wintergarderobe nach hinten in den Schrank und tauscht sie gegen die Frühjahrsbekleidung aus. Wieder andere sortieren Bücher, Papiere oder ähnliche Formulare von ihrem Schreibtisch in Ordner ein, oder quälen sich durch die Steuererklärung...

Fakt ist, ein unruhiges Teiben seltzt ein, immer noch abwartend, auf einen ersten Hinweis, der uns richtig durchstarten lässt.

Für mich persönlich ist der Frühling nicht mehr fern, wenn das erste Grün des Schnittlauchs zu spießen beginnt und ich so viel davon abschneiden kann, dass es für die erste Pfanne mit Rührei zum Sonntagsfrühstück mit der gesamten Familie ausreicht.

 

Diese Geschichte erschien 2013 im Elbverlag.


 

Ein Schlafsack für Oma

Das Dorf meiner Großmutter in Mecklenburg übte zu jeder Jahreszeit einen magischen Reiz auf mich aus. Einerseits war es die Landschaft, die sich vor dem Zugfenster wie ein Schachbrett ausbreitete, andererseits der Ort selbst und die Menschen, die mir lieb und vertraut waren. Uns Kindern war selten langweilig, einem von uns fiel immer etwas ein.

Ställe oder offene Unterstände mit Kutschen gab es genug. Die Kieskuhle, in der wir vom Hang heruntersprangen war ebenso attraktiv, wie das über den Zaun hängende Obst der Streuobstwiese. Wir spielten Verstecken im Mais und Schnitzeljagd im Wald... Es war eine Zeit der Freiheiten, besonders für mich als Stadtkind.

Sobald Waldbrandgefahr bestand, durften wir uns nicht mehr in die Nähe des Waldes wagen.

Die Sommer in Mecklenburg waren sehr warm, wenn nicht heiß. In jenem Sommer wollten wir draußen nächtigen, da sich die Wärme im Haus staute und somit auch die Nächte warm waren.

Oma war strickt dagegen, dass wir allein hinter ihrem Holzschuppen im Garten zelten wollten. Wohl auch deshalb, weil der Wald direkt hinter ihren Garten angrenzte. Wir versuchten es mit Flehen und Betteln, sie blieb aber standhaft. Drei Tage lagen wir ihr in den Ohren, bis unser Cousin Herbert eine glänzende Idee hatte. Es war damals siebzehn Jahre, während wir mit elf und zwölf noch „Küken“ waren.

„Ihr müsst Oma zum Zelten einladen“, war sein Rat.

Wir schauten uns verständnislos an.

„Ich habe noch einen alten Armeeschlafsack, den hängen wir zum Lüften raus, morgen bringe ich ihn vorbei und ihr gebt ihn Oma, damit sie mit euch zelten kann!“ Gesagt, getan.

Am nächsten Mittag kam Herbert mit dem Schlafsack. Wir versteckten ihn erst einmal im Garten. Kurze Zeit darauf schleppten wir die Klappbetten aus dem Haus und erzählten, wir wollten uns sonnen. Das Zelt war groß genug, dass auch die Klappbetten Platz fanden.

Gegen Abend hatten wir alles vorbereitet: Decken im Zelt verteilt, Getränke in der Kühltasche, Kekse im Kinderkoffer. Sogar einen großen Papierfächer für Oma hatten wir gebastelt.

Wir wussten, dass Oma ihren Garten am liebsten selbst bewässerte. Also erzählten wir ihr, dass einer von uns schon begonnen hatte, alles zu gießen. Rasch kam sie mit uns hinaus. Als sie unsere Zeltstadt sah, war sie begeistert: „Na, da habt ihr euch ja richtig Mühe gemacht!“

Stolz führten wir sie zu einem Klappbett, worauf der Armeeschlafsack ausgebreitet lag. „Omi, hier wirst du heute Nacht schlafen“, erklärte ich ihr stolz.

„Wir wissen ja, dass du uns nicht allein lassen kannst, weil du die Verantwortung für uns trägst“, fügte meine ältere Cousine Martina rasch hinzu.

Da blieb unserer Oma nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Sie übernachtete mit uns im Garten und besaß seitdem einen Schlafsack, denn es war nicht ihre letzte Nacht im Gartenparadies...

 

 

Winterglück mit Baumkuchen und Bauchspeck

 

Bereits im November begannen in der himmlischen Backstube die Vorbereitungen für die Weihnachtsbäckerei. Es war Tradition, dass zum Christfest jeder Engel sowie Petrus mit besonderen Leckereien beschenkt wurde, was viel Arbeit bedeutete.

 

Mit dem Hemdsärmel wischte sich Amelie über die gerunzelte Stirn. „Jedes Jahr das Gleiche“, brummte sie genervt. „Zimtherzen, Rosenblätter in feinstem Zuckerwerk, himmlische Lebkuchen oder was sonst noch von Petrus gewünscht wurde. In ihrem weltlichen Leben war Amelie Bäckerin im Thüringischen. Sie sehnte sich nach den Köstlichkeiten ihrer Heimat. Was hätte sie darum gegeben, wieder einmal den typischen Thüringer Huckelkuchen oder Baumkuchen zu backen. Doch im Himmel gab es fast immer die gleichen Gebäcksorten…

Seufzend stemmte sie die Arme in die Hüften.

„Warum eigentlich nicht!“, dachte sie ärgerlich.

Rasch suchte sie alle Zutaten für den Teig, der aus Eiern, Zucker, Fett, Mehl und Rum bestand, zusammen. Nachdem der Teig gerührt war, strich sie ihn dünn auf das Blech. Angelockt vom verführerischen Duft des Gebäcks, betrat Onni der Wunschengel die Backstube.

„Mmm, da läuft einem glatt das Wasser im Mund zusammen, Amelie. Benötigst du noch Zutaten?“

„Nein, ich habe von allem genug. Aber lieb von dir, dass du fragst.“

Sie wischte sich mit der Hand durchs verschwitzte Gesicht, wobei eine Mehlspur zurückblieb. Die Uhr des Ofens klingelte.

Schnell öffnete sie den großen Backofen und zog die Bleche heraus. Verwundert blickte Onni auf den Huckelkuchen. „Das ist… etwas Neues, stellte er eher fragend fest.

„Ja! Ich dachte mir, dieses Weihnachten gibt es einige Überraschungen für die Engel...“, erklärte Amelie selbstbewusst. „Das ist ein Huckelkuchen – der muss so aussehen.“

Onni nickte. „Das ist gar nicht verkehrt. Weißt du eigentlich, wie lange ich für Veränderungen kämpfen muss, ehe sie einen winzigen Schritt von ihren jahrhundertealten Tradionen abrücken?“

Fröhlich schaute Amelie ihn an.

„Ja, das ist sogar mein Wunsch, etwas zu verändern…!“

„Ach“, antwortete Onni scheinheilig.

„Ja, wenn das so ist, dann muss ich ihn dir ja, sozusagen erfüllen….“, feixte er und kniff dabei ein Auge zu.

„Ich würde sagen, ich gehe jetzt, damit du deiner Kreativität freien Lauf lassen kannst! Aber eine Bedingung habe ich – alles, was du an neuen Rezepten hervorbringst, möchte ich vorab probieren.“

„Mmh, das lässt sich einrichten. Komm heute Abend wieder – ich werde dir einen Teller zusammentellen. Doch jetzt muss ich neue Anweisungen geben, die anderen tuscheln schon und schauen interessiert rüber, weil wir so lange beisammen stehen…“

Mit einen freundlichen Nicken verließ Onni die Backstube und fragte sich, für welche Gebäcksorten Amelie sich wohl entscheiden würde.

Die wundervollsten Gerüche von Anis, Zimt, Korriander und Muskat zogen durch den Himmel, was selbst Petrus nicht entging. Erwartungsvoll hielt er seine Nase in den Wind und er spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Das hatte er schon Ewigkeiten nicht mehr erlebt.

Als Onni am Abend erneut in der Backtube erschien strahlte Amelie über das ganze pausbäckige Gesicht.

„Hier ist der versprochene Teller.“

Sie reichte ihm einen tiefen Suppenteller mit Zimtherzen, Rosengebäck, gefüllten Mürbchen, dem Huckelkuchen und Baumkuchen. Dazu füllte sie ihm etwas Punsch in ein Glas.

„Was ist das?“

„Apfelpunsch! Probier mal!“

„Das schmeckt ja großartig.“

„Ich weiß! Daher habe ich mir etwas überlegt…“

„AMELIE – was willst du von mir?“ Onni runzelte die Stirn.

„Ich habe reichlich Huckelkuchen und Baumkuchen gebacken – den erhalten die Engel zu Weihnachten, aber ich wünsche mir ein großes Lagerfeuer… für alle. An dem wir Stockbrot… und Bauchspeck grillen…“, stotterte sie unter seinem streger werdenden Blick.

„Das wäre dann heute schon der zweite Wunsch“, räusperte er sich mit bewegungsloser Mine.

Mit keiner Silbe erwähnte er, dass er es für eine großartige Idee hielt. Endlich bekam er Verstärkung! Traditionen hin oder her – sie waren gut, ja, wenn auch manchmal etwas verstaubt. Onni fand, man musste auch etwas Neues ausprobieren und nötigenfalls miteinander kombinieren. Endlich gab es jemanden, der wie er, mit neuen Ideen und der Begeisterung Neues ausprobieren zu wollen.

Mit unbewegtem Gesicht antwortete er: „Also gut, ich werde sehen, was ich tun kann und vorsichtig bei Petrus anklopfen.“

In seinem Innersten jubelte er. Er hatte sooo lange darauf gewarteter - und dieses Mal war nicht wieder er derjenige, der etwas umsetzen wollte, frohlockte er.

Petrus sah Onni entgeistert an. „Was… will… sie...? Wir können nicht mal eben mit den Traditionen brechen! Du solltest das mittlerweile begriffen haben.“ Petrus Stimme überschlug sich vor Empörung.

„Tja, aber gegen Wünsche kann ich nichts machen“, erwiderte Onni sanft.

Er hatte gelernt, dass es besser war Petrus in dieser Stimmung nicht mit Widersprüchen zu reizen.

„Ihr Wunsch…! Ihr Wunsch…!“, echote er.

Onni wartete, bis sich das aufbrausende Temperament etwas gelegt hatte.

„Was soll ich ihr sagen?“, fragte er sehr leise.

„Ach, macht doch alle, was Ihr wollt“, brummte Petrus angesäuert und vertiefte sich wieder in seine himmlische Post.

Onni war erleichtert. Immerhin hatte er kein Verbot ausgesprochen. Sogleich lief er in die Backstube. Erwartungsvoll schaute Amelie ihm entgegen.

„Nun sag schon, was hat er gesagt?“

„Im Grunde ist er nicht einverstanden damit…, doch er hat es bislang auch nicht verboten. Hör zu, lass ihm eine Kostprobe von deinem Baumkuchen bringen – dick mit Zartbitterschokolade überzogen! Ich weiß, Petrus hat eine Schwäche für Schokolade…,! Aber wehe dir, du sagst ein Sterbenswort zu jemanden“, warnte Onni.

 

Am selben Abend gab ein Bäckerjunge eine dunkelblaue Schachtel mit Sternen bei Petrus ab, ehe der sein Büro verließ.

„Was willst du“, brummte er ungnädig, da ihm die Sache mit Amelies Wunsch den ganzen Tag durch den Kopf gegangen war.

„Ich soll…, ich bringe Euch“, stotterte er verlegen „etwas abgeben.“

Rasch drückte der Junge dem verduzt dreinblickenden Petrus die Schachtel in die Hand und lief um die nächste Ecke.

Petrus drehte und wendete die Schachtel – kein Absender! Allerdings nahm er einen feinen Geruch von Rum und Schokolade wahr. Bedächtig öffnete er die Schachte und staunte. Eine Blüte aus Kuchen und feinsten Schokoladenblättern lag im dezent nach Rum duftenden Papier.

Amelie lugte vorsichtig hinter der Ecke hervor, um die der Bote kurz vorher verschwunden war.

Sie konnte es vor Neugier kaum aushalten.

Vorsichtig kostete Petrus ein Stück. Schloss seine Augen. Lies es genießerisch auf der Zunge zergehen. Mit geschlossenen Augen sagte er:

„Also gut! Meinetwegen soll Onni dir deinen Wunsch erfüllen. Ich weiß dass du dich hinter der Ecke versteckt hast, Amelie. Aber eines lass die gesagt sein – noch einmal falle ich auf deinen Bestechungsversuch nicht herein!“ Noch während er sprach, schob er sich genießerisch ein weiteres Stück Kuchen in den Mund.

So kam es, dass an Weihnachten ein großes Lagerfeuer brannte, an dem alle Engel ihren Platz fanden und sich Amelies Wunsch von Stockbrot mit Bauchspeck erfüllte.

Sie wusste sogar, was sie sich zum kommenden Christfest wünschen wollte..., doch davon erzähle ich Euch ein anderes Mal.

 

Rezept für gefüllte Mürbchen

250 g Mehl

65 g Zucker

1 Ei

40 g Butter

1 Teelöffel Anis

½ Päckchen Backpulver

Rote Marmelade für das Grübchen in der Mitte

Aus Butter, Zucker und dem Ei eine Schaummasse herstellen. Sämtliche Zutaten unterheben und durchkneten. Auf ein gefettetes Backblech kleine Kugeln (z. B. mit dem Teelöffel ausstechen) aufsetzen und in der Mitte eindrücken. Die feste Marmelade einfüllen und bei mittlerer Hitze goldbraun backen. (Die Kugeln weit auseinander setzen, da sie beim Backen aufgehen).

Vielen Dank für dieses alte, erprobte Backrezept an Familie von Lengerke, die es freundlicherweise zur Verfügung stellte!

Erschienen ist diese Geschichte im Papierfresserchenverlag im aktuellen Weihnachtsbuch - Wünsch dich ins Wunderweihnachtsland Band 16

 

 

Kein Ort zum Verlieben!

Gedankenversunken lief Paula über die schief stehenden Waschbetonplatten, die zur kleinen Kapelle führten. Sie kannte jede Unebenheit des Weges und wäre ihn sogar mit verbundenen Augen entlanggegangen. So oft kam sie her.

An der Weggabelung hielt sie sich links. In Gedanken zählte sie bereits die Schritte, ehe sie erneut abbog und vor dem Grab von Mann und Tochter stehen blieb.

Mechanisch nahm sie die Blumen der vergangenen Woche aus der Vase, zupfte welke Blätter von den Büschen und griff auf dem Rückweg vom Kompostgitter nach einer Kanne Wasser. Viel zu oft war sie in den vergangenen vierzehn Monaten diesen Weg gegangen.

Anfänglich zwei Mal am Tag. Sie hielt stumme Zwiesprache mit Mann und Kind, sah keinen anderen Lebenszweck, als sich um das Familiengrab zu kümmern. Als die Trauerarbeit sie übermannte schaffte sie es in ihrer Depression nur noch einmal in der Woche ans Grab.

Langsam ließ ihr der Schmerz etwas Raum, gab ihr wieder Luft zum Atmen, ihrer Seele ein wenig Kraft und überfiel sie nicht mehr mit dieser fürchterlich intensiven Heftigkeit. Paula wollte nicht zerbrechen an ihrem Kummer und der Schwärze in ihrer Seele. Langsam kämpfte sie sich zurück ins Leben, welches nie mehr so sein würde, wie zuvor...

Sechs Monate später gab es plötzlich eine weitere Grabstelle neben dem ihrer Familie. Eine junge Frau, die an Krebs erkrankte und sehr rasch verstarb. Der Witwer kam täglich, so wie sie selbst in jener schweren Zeit.

Auch heute stand er reglos im Gebet vertieft vor der Grabstelle. Anfänglich nickten sie sich in höflichem Abstand zu. Im Laufe der Zeit ergab es sich, dass sie einander freundlich grüßten. Irgendwann, als sie gemeinsam den Friedhof verließen, waren sie ins Gespräch gekommen. Ihre Gespräche, anfänglich kurz und oberflächlich vertieften sich. Beide vertrauten sich in ihrem Kummer all das Leid an, was Familie und Freunde nicht verstanden, oder wo die Empathie über das Fehlen des geliebten Menschen mit dem man lebte, vermutlich fehlte.

Der Mann hieß Matthias. Er war Gewürzhändler aus dem Hamburgischen. Hingebungsvoll lauschte Paula seinen Ausführungen über Salbei und seine Eigenschaften. Sie erfuhr interessante Details über den Pfefferanbau oder Safran. Er reiste viel durch die Welt, wo er seine Einkäufe tätigte, seine Frau hatte ihn so oft wie möglich begleitet.

Matthias schätzte Paulas stille Art ihm zuzuhören und erfuhr, welches Schicksal ihr zuteil geworden war. Paula war Anwältin wie ihr verunglückter Mann. Bei einem gemeinsamen Ausflug mit der Vespa war das Unglück geschehen. Matthias teilte ihren Schmerz, verstand ohne viele Worte wie sich sich fühlte, las in ihrem Gesicht. Ohne es zu bemerken oder zu wissen gaben sie sich im Laufe der Zeit einen bindenden Halt, der Trauer, Schmerz und den Verlust kleiner werden ließ. Zwei gleichgesinnte Seelen verbunden im Verlust wie Schnert ihres Lebensglücks.

An ihren „Friedhofstagen“ hielt der jeweils Andere Ausschau und wartete voll Erwartung – beinahe mit einer beginnenden Vorfreude auf das Wiedersehen - auf den Gesprächspartner. So auch an jenem verhängnisvollen Samstag.

In der Gärtnerei hatte Paula zwei Sträuße mit Herbstblumen binden lassen. Beide identisch, von schlichter Eleganz. Es sollte die Verbundenheit zwischen den Verstorbenen und Hinterbliebenen symbolisieren....

Auf dem Friedhof strauchelte Paula an der Grabumrandung und stürzte auf das linke Knie. Ihre Handtasche hatte sie auf dem Stein abgelegt, die sie jetzt nicht erreichen konnte. Aufstehen war unmöglich und ein Stock oder anderer Gegenstand war nicht greifbar. An ihr Handy konnte sie nicht gelangen, weit und breit war kein Mensch zu sehen.

„Ausgerechnet jetzt“,,,, schalt sie sich selbst eine dumme Gans. Sie würde sich gedulden müssen bis Matthias oder irgendwer zur Hilfe kam.

Endlich betrat er den Kiesweg. Erschrocken lief er zu ihr hin. Paula, was ist geschehen?“ Sogleich wollte er ihr aufhelfen, doch sie stöhnte vor Schmerzen und sackte beim Versuch aufzustehen zusammen.

„Ich rufe den Notfallwagen“, entschied er mit Entschlossenheit.

„Ein Notfallwagen auf dem Friedhof – das wird für Gesprächsstoff sorgen“, antwortete sie nicht ohne Sarkasmus.

„Ich würde dich auf der Stelle selbst in die Klinik bringen. Die einzige Möglichkeit wäre dich zu Tragen, zur Not auch Huckepack“, erwiderte er sanft, „aber ich fürchte deine Schmerzen sind zu groß, also überlassen wir es den Fachleuten.“ Mit einem besorgt liebevollen Blick sah er sie an. An ihrem verkrampften Gesicht erkannte er das Ausmaß ihrer Schmerzen.

Er hockte sich neben sie und legte wie selbstverständlich den Arm um sie. Dankbar lehnte sie sich an ihn. Es entstand ein wohltuendes Schweigen zwischen ihnen.

„Es ist schön, sich nicht immer erklären zu müssen“, hauchte sie plötzlich.

Überrascht sah er sie an und lächelte versonnen.

Er wandte den Kopf zum Grab seiner Frau und sagte leise: „Verzeih mir Liebling – du bist auf ewig in meinem Herzen – doch ich muss ohne dich weiterleben. Dann wandte er sich wieder Paula zu und hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. „Du hast nichts dagegen, wenn ich dich in die Klinik begleite?“, fragte er leise als die Sanitäter den Kiesweg entlangkamen.

Statt einer Antwort gab ihm Paula einen „schmetterlingszarten Kuss“ – als Versprechen für Kommendes.

 

 

Sonntagnachmittag bei Tante Änne im Zechenhaus

Es gibt Erlebnissse und Begebenheiten, die einem aus der Kinderzeit im Kopf bleiben. Kindergeburtstage, langweilige Verwandtentreffen oder sonntägliche Besuche bei den ältichen Tanten. Meine Cousine war zehn Jahre älter als ich und hatte somit wesenlich mehr solcher Besuche und Feierlichkeiten erlebt und mitgemacht. Vor einigen Jahren frischten wir gemeinsam unsesre Erinnerungen auf. Merkwürdigerweise hatten wir dieselben Dinge im Kopf, was ich bei unserem Alterunterschied recht beeindruckend fand.

So gab es am Haus von unserer Großtante Änne eine Brombeerhecke. Die älteren Cousinen und Cousens naschten immer von den reifen Beeren, während wir beide wegen der fiesen Dornen eher Abstand hielten. Es gab keine Wiese zum Spielen, nur Gemüsebeete und ihre Wäscheleinen zu beiden Seiten.Schlimm fanden wir auch, den Kindertisch in ihrer Küche. Keines der Kinder durfte an ihrer großen Kaffeetafel sitzen. Kinder durften nicht reden wenn die Erwachsenen sprachen und in der Küche gab es für uns alle nur einen kleinen Krug mit Milch und einen mit Kakao. Wenn man nicht schnell genug war, bekam man von beiden Krügen nichts zu trinken ab, da die Jungen die Krüge nicht aus der Hand gaben. Zu allem Übel mussten wir Mädchen den Abwasch machen, während die Jungs Fußball spielten. Wir Mädchen fanden das schon recht ungerecht.

Da hatte unsere älteste Cousine eine Idee: Sie konnte sich nicht mit der Ungerechtigkeit abfinden, dass wir Mädchen den Abwasch machen sollten, während die Jungs alle Freiheiten genossen. Jungen zählten bei Tante Änne mehr als Mädchen. Schlielich trugen sie den Namen der Familie weiter und waren in ihren Augen nützlicher für den Fortbestand der Familie...!

Heidelinde zog uns ins Vertrauen. "Ich habe ein Gehimmittel bei mir", erzählte sie. Was es war, verriet sie uns nicht. Vermutlich wollte sie vermeiden, dass sich eine von uns verplapperte. Sie schlich durch den Keller nach draußen und rieb die Sitzfläche des "Open-Air-Klo" mit besagter Substanz ein. Irgendwann mussten die Jungs nach dem reichlichen Genuss von Milch und Kakao ja mal auf die Toilette...

Als ahnte Tante Änne, dass etwas im Gange war, betrat sie die Küche. Heidelinde war gerade noch rechtzeitg zurückgekommen und griff erneut nach dem Trockentuch. "Seid ihr immer noch nicht fertig?", fragte Tante Änne biestig. Als sie sah, dass fast alle Teile in den Schrank geräumt waren, entließ sie uns aber gnädig aus dem Küchendienst. "Ihr dürft noch ein wenig hinaus gehen. Wehe euch, wenn die Kleider schmutzig werden", drohte sie mit erhobenen Zeigefinger und kramte ihren selbstgemachten Likör aus dem Vorratsschrank hervor. Betont langsam verließen wir die Küche. Im Grunde brannten wir darauf zu sehen, was passieren würde, wenn der Erste vom "Donnerbalken" kam, wie wir heimlich das vorsintflutliche Klo nannten. Es stank dort und im Sommer gab es dort mächtig viele Fliegen und Spinnen. Außerdem hatten wir Kleinen Angst durch die Öffnung zu fallen...

Wolfgang war der Erste, der den "Donnerbalkenn" verließ. Innerhalb kürzester Zeit kratzte er sich ständig am Hossenboden - auch Walter schien einen permanten Juckreiz zu verspüren. Fritzchen war pfiffig genug sein Geschäft in die Botatik zu verlegen. Er hatte Lunte gerochen, während die anderen Jungs sich über ihre geröteten Hinterteile wunderten. Wir Mädchen ließen uns nichts anmerken und hielten dicht. Keine hat etwas verraten oder gepetzt. Die Erwachsenen hingegen konnten sich nicht erklären, wie ausgerechnet Juckpulver auf Tante Ännes Holzsitz kam.

Zum Glück dauerte es nur noch ein Jahr, bis Tante Änne eine Toilette mit Wasserspülung im Keller des Hauses installieren ließ - was unsere Besuche bei ihr etwas erfreulicher machte.

 

September Blues

Es gibt Zeiten im Jahr, da hat man den Kopf voller Erinnerungen oder man wird etwas Melancholisch. Bei mir ist das hin und wieder im September so. Zwar mag ich den Herbst und seine bunten Farbenspiele, dennoch gibt es Momente, in denen auch ich innehalte und Erinnerungen nachhänge.

Wenn mich dann wirklich einmal der Septemberblues erwischt - wie ich es für mich nenne - gibt es nur einen Weg. Ich packe meinen Wanderrucksack und suche mir einen Wanderweg aus, auf dem ich für einige Stunden unterwegs bin. Meist geht es mir nach dieser Tour wieder gut und meine Gedanken sind sozusagen verarbeitet.

Im Gepäck habe ich eine sehr alte Sammeltasse von meiner Großmutter, aus der ich meinen mitgenommenen Kaffee trinke und ihre alte Taschenuhr. Unterwegs suche ich mir ein schönes Gebiet, in dem ich Rast mache. Das kann sowohl im Wald auf einem Baumstumpf sein, an einem See oder Fluss, ebenso auf einem Deich oder Bank im Park. Hier in der Natur fühle ich mich verbunden mit den Menschen, die nicht mehr da sind, denen ich mich aber verbunden fühle. Manchmal führe ich ein kurzes gedankliches Gespräch, ein anderes Mal erinnere ich mich an gemeinsam erlebte Situationen. Fakt ist, ich lasse meinen Gefühlen Raum, begegne ihnen und lasse sie zu. Das Zwitschern der Vögel, wie das Hämmern eines Spechts, die Beobachtung wie ein Reiher einen Fisch fängt oder einfach das Rascheln bunter Blätter in den Baumkronen helfen mir dabei, meine Gedanken neu zu ordnen und "die Farben meiner Seele zu erneuern" so dass ich mich wieder geerdet fühle.

 

Der Kansas City Koffer

"Im Koffer muss einiges verstaut werden, wenn ihr eine zweiwöchige Klassenfahrt unternehmt und auch die Bettwäsche mitnehmen müsst", bemerkte meine Mutter. In Gedanken überlegte sie bereits, welche Reisetasche oder welchen Koffer ich mitnehmen sollte. "Im Bus werden die Koffer von drei Schulklassen tüchtig durchgeschüttelt, da gibt es gewiss einige Kratzer. Wir nehmen einen von Opas alten Koffern. Die sind wenigstens stabil, der kommt heile und nicht verformt an der Küste an", entschied sie.

Der schwarze Koffer war tatsächlich recht stabil und groß genug für all die Sachen, die notwendigerweise mitgenommen werden sollten. Unter anderem auch Gummistiefel für die Wattwanderung. Das einzige Manko des Koffers war die Oberflächenbeschaffenheit. Er besaß eine Art "schwarzen Reptilienprint". Das würde unter den Schulkameraden für Gesprächsstoff sorgen. Für die Reise wurde er mit einem dunklen Kofferschonbezug geschützt, so dass die Jungs aus meiner Klasse nicht auf dumme Gedanken kamen, Schabernack damit zu treiben.

Einen Vorteil hatte die Sache - ich fand meinen Koffer auf den ersten Blick zwischen all den Taschen und teilweise gleich aussehenden Koffern, die in der momentanen Trendfarbe rehbraun verkauft wurden. Meine Mutter hatte Recht behalten, einige Lederkoffer waren ziemlich zerkratzt, eine Tasche sowie ein Koffer hatte Blessuren in Form von aufgeplatzten Reißverschlüssen und abgeschalgenen Schlössern erlitten.

Natürlich dauerte es nicht lange und die ersten Klassenkameraden kamen auf die Mädchenzimmer. Rolf war der Erste, der meinen Koffer unter dem Bett entdeckte. "Mensch, der ist ja cool - woher haste den denn?", fragte er anerkennend. "Ach, der ist von meinem Opa und schon etwas älter", setzte ich zur Erklärung an, als der nächste Klassenkamerad johlte: "So einen will ich auch haben - der sieht aus, als hätte dein Opa damit den Wilde Westen bereist..."

Die Geschichte sprach sich rasch herum und die Jungs aus sämtlichen Klassen standen Schlange, damit sie sich den Wild-West-Koffer, wie er mittlerweile hieß, ansehen konnten... Hätte ich von jedem eine Mark bekommen, wäre mein Norddeichtaschengeld dabei rumgekommen. Nie hätte ich gedacht, dass dieses alte Teil, für das ich mich insgeheim sogar etwas genierte, soviel Aufmerksamkeit erlangen würde. Mittlerweile waren schon einige der älteren Mädchen neidisch auf diese ungeteilte Aufmerksamkeit. Innerhalb der ersten Woche kursierten die wildesten Geschichten über mein Gepäckstück, sogar der Lehrer aus der Parallelklasse sprach mich darauf an. Langsam wurde es irgendwie peinlich.

Das Ganze gipfelte darin, dass die Zwillingsbrüder aus meiner Klasse sich eine geniale Story einfallen ließen und mit meinem Einverständnis rumerzählten:

Mein Uropa hätte tatsächlich die Bank in Kansas City überfallen. Meinen Koffer hätte er dazu benutzt, das Geld in einer Postkutsche aus der Stadt zu bringen. Bis heute hätte man das Geld trotz der damals ausgesetzten Belonung nicht gefunden..."

Die Geschichte machte die Runde. Wurde immer weiter ausgeschmückt. Jeder fügte ein vermeintlich wichtiges Detail hinzu. Zuletzt waren angeblich die Pferde im Grand Canyon durchgegangen und Uropa ein legendärer Revolverheld...! Meine Eltern amüsierten sich köstlich, als sie die Geschichte hörten.

Jahre später, als die Verschlüsse defekt waren und er lediglich zum Spielzeug taugte, wurde der alte Koffer das liebste Spielzeug meiner eigenen Kinder. Bauklötze oder Matchboxautos wurden eingepackt, teilweise saßen sie mit ihren Plüschtieren im Koffer und spielten verreisen. Irgendwann wurde das Innenfutter rissig und selbstverständlich das Innenleben untersucht.

Wir trauten unseren Augen kaum:  Unter dem Deckel kam ein Umschlag zum Vorschein. Als wir ihn öffneten fanden wir alte Geldscheine aus der Zeit der Währungsreform. Sogar ein 1000-Mark-Schein von 1899 war dabei. Somit enthielt die erdichtete Geschichte letzten Endes ein Fünkchen Wahrheit, auch wenn das Geld nicht aus einem Bankraub stammte...;-)

Übrigens, das nächste Klassentreffen ist in Vorbereitung, da werde ich von diesem Fund erzählen!

 

 

Internationale Babysprache (eine Kolumne aus meinem E-Book "Das Leben ist bunt")

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass man mit einem Kind im Kinderwagen oder Hund an der Leine sehr schnell Gesprächspartner findet, oder angesprochen wird?

Schon immer amüsierte es mich, wenn Großeltern, Onkel und Tante, ebenso Bekannte und Nachbarn zu Spezialisten oder Fachleuten werden, sobald ein Baby oder Kleinkind in der Nähe ist. Plötzlich dreht sich alles um dieses Kind und plötzlich prasseln gutgemeinte Ratschläge, Tipps und Informationen auf einen nieder. Das ist harmlos im Vergleich zu den Begrifflichkeiten, die plötzlich aus dem Nichts auftauchen.Wenn nicht gerade Pruste- oder Brabbelgeräusche nachgeahmt werden, wird um die Aufmerksamkeit oder ein Lächeln gebuhlt. Sobald Kleinkinder die ersten Worte sprechen können, gehen sie "Teita...", füttern "Pilleenten" oder sehen sich "Wau-Waus" oder Muh-Kuhs" an oder sollen bei besagten Tieren "Ei machen...". Was ist eine Muh-Kuh und eine Pille-Ente? Warum kann man einem kleinen Kind nicht ganz schlicht das Wort Ente sagen? Und wie macht der "Wau-Wau"? Etwa "Hund-Hund"?

Vergangenen Sommer hörten wir einen frischgebackenen Vater aus der Nachbarschaft quer durch den Garten gröhlen: "Ja, Jan-Hendrik hast du etwa Nacka-Füße?" Um nicht laut loszulachen, spukte ich meine Getränk im hohen Bogen ins Blumenbeet. Der jüngste seiner Söhne brülle eine halbe Stunde später wie eine Sirene und kreischte lautstark nach seinem "Tutu...". Welche Bedeutung dieses Teil hatte, erfasste sogar ich auf Anhieb. Das Kind suchte seinen Schnuller! Die gesamte Familie beteiligte sich an fieberhaft an der Suche, da das arme Kind ohne "Tuttu" ja nicht "Heia-Heia" machen konnte... Schade, dass dieses Kind offensichtlich nur dieses eine Latexteil besaß und ohne selbiges nicht in den Schlaf kam.

Diese Wörterliste könnte man endlos weiterführen. Mittlerweile frage ich mich, ob es einen VHS-Kurs für diese Wortschöpfungen gibt, der sich "Internationale Babysprache für Anfänger" nennt. Zudem stehe ich vor dem Problem, dieses merkwürdige Vokabular unserem dänischen Au-Pair-Mädchen ins Englische zu übersetzen...!

 

Pechkuchen (eine Geschichte aus dem Leben)

nannte man in meiner Kinderzeit jene Kuchenstücke, die dem Bäcker misslungen, in der Auslage verrutscht oder umgekippt waren. Meist durften die Angestellten diese ihn gratis oder gegen ein kleines Entgeld mit nach Hause nehmen. Meine Oma war eine tolle Bäckerin und wenn ihr mal ein Kuchen misslungen war, sagte sie: "Heute gibt es Klietscherkuchen". Meist waren ihre Kuchen dann an einer Seite in der Form hängen geblieben und mussten mit etwas Aufwand wieder hergestellt werden... Heißt, je nach Gebäcksorte wurde Creme, Schokolade oder Zitronenglasur angerührt und der Schaden eingegrenzt, beziehungsweise ihr Kuchen quasi verklebt. Was das anging, war sie sehr erfindungsreich. Meist fiel beim Anschneiden dieser Kuchen allerdings auf, dass es ein Malheur gegeben hatte. Mich zog sie besonders gerne damit auf, wenn mir in ihrer Backform selbiges Unglück geschah, weil sie wusste, wie sehr mich das ärgerte.

Am Vortag des Schwiegerelterntreffens vor unserer Hochzeit geschah mir ein Malheuer ganz anderer Art. Es sollte einen Kuchen mit Früchten auf dem Tortenboden geben. Der Tortenboden war zu meiner Erleicherung heil geblieben, sobald ich ihn aus der Form gelöst hatte. Darüber kam eine angerührte Masse aus Sahne, Yoghurt und roter Götterspeise. Die Massenverhältnisse waren abgewogen, verrührt und gezuckert. Die Götterspeise stand zum Abkühlen parat - ich musste nur noch den richtigen Zeitpunkt vor dem Andicken abpassen, um alles miteinander zu vermengen. Auch diese Hürde meisterte ich. Sobald die Gesamtmasse etwas fester wurde, kam sie auf den Tortenboden über die Früchte. Soweit so gut - der Tortenring hielt die Masse zusammen und brachte alles in Form. Der Kuchen stand zunächst noch eine Weile auf dem Küchenschrank an der Ecke, ehe er in den Kühlschrank konnte und über Nacht schnittfest werden sollte.

Da wir noch einige andere Dinge zu erledigen hatten, kümmerten wir uns eine ganze Weile nicht um den Kuchen.

Als ich ihn nach fast zwei Stunden in den Kühlschrank stellen wollte, sah ich das Unglück:

Die Masse war fest geworden - ohne Zweifel. Jedoch hatte der Tortenring die Hälfte unter dem aufgeweichten Tortenboden ausfließen lassen. Rote Creme war malerisch am Küchenschrank entlanggelaufen und hatte sich verfestigt. Während ich mir die Haare raufte und fluchend versuchte zu retten, was noch möglich war, nahm mein Zukünftiger einen Löffel aus der Schublade, kratzte einmal am Schrank entlang um die Creme abzuschaben und schob den Löffel in den Mund. Genießerisch schwärmte er:

"Also dein Schrankkuchen ist wirklich gut gelungen..." Seit jenem Tag foppt er mich gerne mal mit der Frage, wann ich wieder einmal "Schrankkuchen" backe.

Übrigens: Der Kuchen war zwar nicht mehr so voluminös, schmeckte meinen Schwiegereltern und Eltern jedoch sehr gut - ebenso mein frischer Erdbeerboden, den ich aus der Not heraus belegt hatte

 

 

Mein blauer Gartentraum (erschienen im Papierfresserchen-Verlag in "Mein Garten und ich...")

Nach der Umbauphase des Hauses sollte es noch fast vier Jahre dauern, ehe alle Ecken und Winkel oder die Lücken im Garten ausgefüllt, bepflanzt und in zeitlicher Abfolge blühen konnten. Zwei- und mehrjährige Stauden waren eingesetzt, neue Beete angelegt, gepflastert und umsäumt. Zuletzt nahmen wir die Pergola in Angriff. Ein Torbogen bildete den Mittelpunkt, an dessen Seiten Clematis hochrankte. Leider machte der Clematis nach einem heißen Sommer bereits im Herbst schlapp, da die Nachmittagssonne ihm arg zusetzte.

Das nächste Gewächs wurde eine Kletterrose... Das Desaster: Rosen haben Dornen! Diese Erfahrung machte eines unserer Kinder auf unliebsame Weise und fiel mit dem Dreirad in selbige. Somit hatte sich die Kletterrose ebenfalls erledigt. Die Suche nach möglichst ungiftigen, kletternden oder nicht zu üppig rankenden Pflanzen für den Torbogen ging weiter.

Zunächst flankierten zwei große blühende Topfblumen die Seiten des Bogens, danach Stockrosen, bis die Kinder größer waren und weder Blüten noch Blätter abzupften, ihre gesamten Basket- Feder- und Fußbälle darin versenkten, oder ihre Pfeile darauf schossen.

In der Zwischenzeit hatten wir auf der gegenüberliegenden Seite einen Blauregen eingepflanzt, dessen Triebe sich einen Weg suchten und zuletzt Halt an den Zwischenstreben fanden. (Mittlerweile steckten unsere Kinder nicht mehr alles in den Mund)…. Noch sah die Pflanze eher bescheiden aus. Gewiss würde es einige Jahre brauchen um die Seite komplett zu begrünen.

Die Kinder wurden älter, ebenso der Blauregen, dessen üppig ausladendes Blüten- und Blätterdach sich mittlerweile über die gesamte Länge der Pergola wie den Torbogen erstreckte. Die Belohnung der guten Pflege folgte nach beinahe zehn Jahren Wachstum. Ein wundervoller blauer Blütentraum zeigte sich im Frühjahr. Es duftete nach Frühling, begleitet vom Summen hunderter Hummeln und Wildbienen. Immer wieder schweiften unsere Blicke über die Pergola, an deren Pracht wir uns täglich erfreuten, da jetzt auch Schmetterlinge die Blüten aufsuchten.

Es wurde Herbst. Die Blätter der Laubbäume verfärbten sich rot-golden, selbst der Blauregen blühte zum dritten Mal in diesem Jahr. Die Natur zeigte ein letztes furioses Farbspektakel, ehe der Winter mit massivem Schneefall und langanhaltenden Frostphasen Einzug hielt.

Das Frühjahr kam. Tulpen und Narzissen blühten, erste Knospen am Rhododendron wuchsen, nur der Blauregen schien den Frost nicht überstanden zu haben. Kein Austrieb, keine Blüte, kein Blatt zeigte sich, obwohl es bereits Ende April war! Traurig beschlossen wir, die Pergola bis Ende Mai vom tristen, mittlerweile knorrig verwachsenen Blauregen zu befreien, der vermutlich nie mehr blühen würde.

Nach einigen Sonnentagen mit Temperaturen um zwanzig Grad geschah das Wunder:

Der Stamm trieb erstes Grün, Ranken bildeten sich aus, Blüten erschienen. Der Garten erwachte zu neuem Leben. Es duftete wieder - und mit dem Blütenduft kehrten Hummeln, Bienen und Schmetterlinge zurück. Der blaue Blütentraum war, wie Dornröschen, aus dem Tiefschlaf aufgewacht…


 

Rotwein, Rauchschwaden und Romantik (erschienen im Wendepunkt-Verlag Weiden)

Kristin sah ihre Freundin Janette mit einem Gesichtsaudruck von Ungläubigkeit und Mitleid an.

"Das glaube ich nicht! Du hast dich in Matthias verliebt? Ausgerechnet in ihn, den charmanten Frauentyp? Ich denke du verbringst zu viel Zeit mit deinen Studienbüchern und Matthias!"

Die Freundinnen hatten einen der begehrten Plätze in einem Straßencafe der Hamburger City ergattert, obwohl viele Menschen in der Stadt unterwegs waren.

"Es ist einfach passiert...," verteidigte sich Janette bekümmert.

"Du und Matthias kennt einander ein halbes Leben. Wenn er Mist machte, hast du ihm geholfen. Könnte es sein, dass er dich ausnutzt, nur so ein bisschen?"

Kristin war ernsthaft besorgt.

"Ich erinnere mich, dass du während des Studiums einmal seine Freundin gespielt hast. Er wurde die Andere los, weil sie bereits vom Heiraten und Kinderkriegen sprach...", sinnierte Kristin laut.

"Kristin, ich weiß, dass seine Beziehungen nie lange hielten, aber ich kenne ihn. Jedes Lächeln, seinen Gesichtsausdruck, wenn ihm etwas missfällt, wie er die Augenbrauen hochzieht und seine Augen funkeln...!"

"Ist ja schon gut, Janette. Ich verstehe es", warf Kristin ein.

"Vielleicht habe ich mich bereits vor Jahren in ihn verliebt. Jetzt muss ich wissen, wie er zu mir steht", sprach Janette weiter. "Ich will mehr für ihn sein, als eine Freundin für Notfälle!"

"Eine tolle Idee", bemerkte Kristin ironisch. "Von der lieben, stets hilfsbereiten Janette, die springt, wenn er pfeifft, zum Vamp?"

"Ich sage es nur ungern, aber weißt du eigentlich, dass er bis vor wenigen Wochen mit einer Studentin liiert war, die reiche Eltern hat? Sie trägt Klamotten namhafter Firmen, Markenschuhe aus Mailand, sieht dazu wahnsinnig gut aus mit ihren langen braunen Haaren."

"Woher weißt du von seiner Freundin?", fragte Janette argwöhnisch.

"Zufällig traf ich sie beim Shoppen und Matthias kam nicht umhin, sie mir vorzustellen."

"Janette, wie willst du es schaffen, dass Matthias auf dich abfährt? Du passt nicht in sein Beuteschema!"

"Hilf mir meinen braven Typ zu ändern - schließlich bist du Kosmetikerin", bat Janette.

"Ein wenig Make up, eine andere Frisur und etwas aufreizendes anzuziehen, dass lässt sich ändern." Kristin lächelte Janette an, auch wenn sie wusste, das es wenig Sinn machte, der Freundin bei diesem Plan zu helfen, da er nach ihrer Meinung zum Scheitern verurteilt war.

Nach einigen Tagen hingen einige neue Kleidungsstücke in Janettes Kleiderschrank. Ihre Haare schimmerten rötlich und waren perfekt durchgestylt. Sie trug einen engen grauen Schlitzrock mit ebenso eng anliegendem Oberteil und Pumps.

Sie hatte Matthias zum Abendessen eingeladen und vorgegeben, etwas Wichtiges mit ihm besprechen zu wollen.

Pünktlich zur verabredeten Zeit klingelte Matthias, doch Janette öffnete nicht. Irritiert sah Matthias auf seine Uhr. Stattdessen hörte er jemanden im Hausflur poltern. Janette kam, beladen mit Einkaufstüten die Treppe hinauf. Matthias blieb erstaunt stehen, als er Janette erkannte. Dann musterte er sie von oben bis unten.

"Könntest du mir bitte ein paar Sachen abnehmen", fragte Janette ihn mit unschuldigem Augenaufschlag, den sie Studen zuvor im Spiegel geübt hatte.

Er ging auf sie zu und griff nach den Taschen von Boutiquen und einer Parfümerie.

Als sie Janettes Dachwohnung betraten, fragte Matthias mit rauer Stimme: "Hast du ein Bier für mich?"

"Bedien dich, im Kühlschrank!"

Nach dem ersten Schluck vom Bier musterte er sie erneut und fragte verwundert:

"Sag mal, hast du heute noch etwas vor, oder warum hast du dich so schick gemacht?"

"Morgen habe ich ein Date mit einem sehr netten Studienfreund. Ich war beim Frisör und shoppen, daher hat alles länger als geplant gedauert. Jetzt müssen wir eben zusammen das Essen zubereiten!"

Matthias nickte überrascht. Als er ihr folgte, grinste er sie an und sagte: "Zieh dich erst um, sonst werden die tollen Klamotten schmutzig! Du willst morgen doch glänzen oder?" Seine Stimme klang freundlich, doch seine Augen funkelten zornig, während er das sagte. Janette fiel sofort auf, dass er verärgert war.

Als sie die Küche wieder betrat, trug sie einen langen, fast durchsichtigen Rock und eine enge ärmellose Bluse mit einem tiefen Ausschnitt. Matthias bedachte sie mit einem undefinierbaren Blick, als er sie so sah.

Da sie vorab besprochen hatten, was es zum Essen gehen sollte, schälte er bereits die Kartoffeln, während sie nach den Putenschnitzeln griff und sie würzte. Danach legte sie das Fleisch in die Pfanne und schaltete den Herd ein.

"Möchtest du einen Wein zum Essen", unterbrach sie die Stille. Er nickte zustimmend und blieb wortkarg.

Sie beugte sich hinunter und sah im untersten Schrankfach nach dem Wein. Janette spürte seinen Blick im Rücken und erhob sich betont langsam und lasziv.

"Es ist nur noch Rotwein da, wäre dir das Recht?"

"Gern!"

Sie stellte zwei Gläser auf die Arbeitsplatte.

Plötzlich räusperte sich Matthias, warf das Schälmesser wütend auf die Arbeitsplatte und fragte ärgerlich:

"Verflixt Janette, was spielst du für Spielchen, musst du dir plötzlich mit Gewalt einen Typen angeln?"

Janette war von seiner Reaktion überrascht, blickte ihn erschrocken an. Matthias hatte nicht das Recht, so mit ihr zu sprechen! Sie beherrschte sich, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und antwortete leise: "Ich will mir niemanden angeln Matthias. Du müsstest es eigentlich besser wissen, da du mich seit Kindertagen kennst!"

"Warum dann die getönten Haare, aufreizende sexy Klamotten - ich verstehe dich nicht! Du benötigst diesen Tand nicht!"

Das war zu viel für sie. Sie nahm einen großen Schluck Rotwein aus ihrem Glas und polterte los:

"Das sagst ausgerechnet du! Der Jenige, der jeder Frau mit den höchsten Pumps, den rötesten Fingernägeln und tiefsten Ausschnitt hinterher sieht und sie anmacht. Du, der sich als charmanter Unterhalter und Frauentyp mit Aufreißerqualitäten gibt und...". Sie brach mitten im Satz ab. Janette wusste, sie hatte zu viel gesagt! Zu viel von ihren Gefühlen verraten! Nicht er, sondern sie war in die Falle getappt. Erschrocken über ihre eigenen Worte sah sie ihn an.

Matthias ging zwei Schritte auf Janette zu, umfasste ihre Schultern. Überrascht sah er sie an.

"Du bist eifersüchtig, du wollstest mir gefallen...?"

Sekundenlang starrte er sie sprachlos an. Dann riss er Janette unsanft in seine Arme und drückte seine Lippen hart auf ihre. Langsam wurde sein Kuss sanfter und leidenschaftlich.

Während seine Zunge ihren Mund erkundete, schlang sie die Arme um seinen Hals.

"Hör nicht auf", flüsterte sie.

Seine Lippen wanderten über ihren Nacken. Plötzlich fühlte sie sich aufgehoben. Matthias trug sie zur Couch.

"Du magst mich, wie ich bin", fragte sie ungläubig.

Matthias sah ihr fest in die Augen und antwortete ihr:

"Ich habe dich immer gemocht, irgendwann war es Liebe. Nie hielt einer meiner Freundinnen den Vergleich zu dir stand. Eigentlich suchte ich immer nur dich in den anderen. Außerdem hat mir noch nie jemand so heftig die Meinung gesagt und dabei so angeschrieen wie du! Wo wir gerade dabei sind, das Date morgen kannst du vergessen!"

Während sie sich wieder und wieder küssten, brach eine Welle des Glücks über sie herein.

Als sie glücklich nebeneinander lagen, stieg ihnen plötzlich der Geruch von angebrannten Fleisch in die Nase, welcher sie in die Wirklichkeit zurückholte. Erschrocken griff Janette nach Matthias Hemd und warf es sich über, während Matthias unbekleidet in die Küche stürmte. Dicker Rauch vernebelte die Sicht. Matthias riss das Fenster auf, Janette schaltete die Herdplatte aus. Es stank entsetzlich. Sie entsorgte die Schnitzel in den Mülleimer.

Matthias sah Janette liebevoll an und fragte plötzlich: "Was wolltest du eigentlich mit mir besprechen?"

"Oh Gott", schoss es Janette durch den Kopf, "daran habe ich überhaupt nicht gedacht..." Fieberhaft suchte sie nach einer Ausrede. "Ich, .... ich kann immer noch nicht gut kochen, Matthias", stammelte sie schließlich verlegen, weil ihr so rasch nichts besseres einfiel.

"Das macht nichts! Dafür habe ich es während des Studiums gelernt.

"Aber du bist eine Künstlerin in Sachen Verführung...", sagte er mit volltönender Stimme. Langsam ging er auf sie zu und lächelte, dabei sah er sie mit seinen dunkel funkelnden Augen verführerisch an. Diesen Blick kannte Janette noch nicht und wollte unbedingt alles darüber erfahren!

 

 


Brautwerbung Anno dazumal:(Erschienen im Wendepunkt-Verlag Weiden - Backstubenduft)

(Aus dem Leben)

Die Brautwerbung war in früheren Zeiten nicht leicht. Man musste noch bei den Eltern um die Hand der Auserwählten anhalten, eine angemessene Verlobungszeit einhalten. Zudem durfte das Paar nur im Beisein eines Familienmitgliedes zusammen sein, so dass ein Kennenlernen, sofern man sich nicht aus der Schule kannte, fast unmöglich war. Es sei denn man lebte auf dem Land. Oftmals wurden Ehen arrangiert. Meist kannte jemand aus der Familie jemanden für die Tochter des Hauses, der als passender Ehekandidat in Frage kam.

Viele Gründe spielten für die Eheschließung eine Rolle. Mal waren es Geld, Grundbesitz, ein klangvoller Name oder Beziehungen, die im Hintergrund standen. Da die Familien mit vielen Kindern gesegnet waren, wurden die ältesten Töchter rasch verheiratet... falls der Mann dem Krieg zum Opfer fiel, waren die hinterbliebenen Witwen versorgt.

Häufig blieben die jungen Menschen zwei Fremde, die sich wenige Male vor dem Ehegelöbnis sahen und deren Ehe von den Eltern beschlossen wurde.

Im hohen Alter von etwa achtzig Jahren „plauderte“ die Großmutter einer Freundin quasi aus dem Nähkästchen. Sei meinte, wir wüssten wenig zu schätzen, wie gut es uns ginge und in welch glücklicher Lage wir seien. Wir lernten unsere Partner „unverbindlich kennen“, hätten Zeit uns kennenzulernen und zu entscheiden ob man „zueinander passt“. Durch diverse Verhütungsmethoden wäre unsere Zeit gerade revolutionär.

Sie vertraute uns an, dass sie keine Kinder wollte. Allerdings oblag die Entscheidung nicht ihr allein und selbst wenn sie es nicht wollte, wurde Druck von der Familie ausgeübt...Ihre fünf Kinder seien allesamt „Betriebsunfälle“ gewesen erzählte sie uns verlegen hüstelnd. Themen wie diese empfand sie immer noch als nicht salonfähig, dennoch war es ihr ein Anliegen, es mit uns auszudiskutieren...

Ihre Ausdrucksweise war durchaus nicht von gestern, wenn man hört, dass sie ihre Kinder als „Betriebsunfälle“ bezeichnete.

Jetzt im Alter sei sie durchaus froh Kinder zu haben, aber als typische Mutter habe sie selbst sich nie gesehen. Klar sie hatte die Kinder aufgezogen, die Krankenpflege übernommen, in Fiebernächten an den Betten gewacht und ihnen die wesentlichen Dinge des Lebens auf den Weg mitgegeben. Gern hätte sie ein anderes Leben geführt – wäre arbeiten gegangen und hätte eine Beruf gewählt, der sie Stolz gemacht hätte. Jetzt im Alter hatte sie immer noch das Gefühl, etwas versäumt zu haben, was sie mit gewisser Melancholie erfülle. Aber alles habe seine Zeit.

Ihr Rat:

Lebt Euer Leben, seht Euch in jungen Jahren die Welt an, schließt Freundschaften und entscheidet dann, welchen Weg ihr nehmt – den des Familienglücks oder den der Karriere!

 

 

Brief an die verstorbene Freundin...

(Geschrieben wurde dieser berührende, wie traurige Textauszug von einer an Demenz erkrankten, weit über achtzig jährigen Dame aus dem Freundeskreis

meiner Familie. Ich bedanke mich an dieser Stelle nochmals für die Freigabe der Textpassage!) Er offenbart die Hilflosigkeit in der eine einsame Frau lebt, die noch Momentaufnahmen ihrer verwirrten, wie traurigen Weit begreift... Demenz und Alzheimer sind Erkrankungen, die für uns schwer nachzuvollziehen sind, dennoch dürfen wir Menschen, die an dieser Krankheit leiden nicht in die Einsamkeit entlassen! Dafür steht dieser Textauszug:

.... Ach, liebste Freundin, heute habe ich wieder an dich gedacht. Dieser Tag ist etwas klarer als all die anderen. Ich sehe meine Kinder und Enkel nur selten und oft kommt es mir so vor, als wollten sie etwas von mir, was ich ihnen nicht geben kann. Sie reden und reden, doch ich verstehe oft nicht, worüber sie erzählen. Jannick ist jetzt auf dem Gymnasium. Du weißt, mein Enkel - nein das weißt du nicht... da hattest du diese Welt schon verlassen! Ich bin so traurig, wenn ich an dich denke. Komm doch mal vorbei. Du fehlst mir. Du hättest hier sein sollen, mit mir alt werden. Wir hätten über unsere Enkelkinder gesprochen oder telefoniert. Jetzt hab ich nur Erinnerungen, Bruchstücke an die Zeit, wo wir Kinder waren. Selbst jetzt fällt mir schon nicht mehr alles ein. Ich habe Demenz, sie schreitet fort, sagen auch die Kinder. Manchmal glaube ich sie kommen deshalb so selten. Ich bin einsam. Kaum jemand von den Freunden kommt zu mir, seit ich im Heim bin.

Ach, wäre ich doch auch schon Tod. Die Tage sind eine Last. Egal, ob ich gute Phasen habe, oder schlechte. Die Medikamente machen müde, ich habe kaum Kraft, gehe nicht mehr raus, habe nichts zu tun. Warum durfte ich nicht vor dir gehen? Stattdessen sitze ich hier und warte auf den Tod, doch selbst der kommt nicht und scheint mich nicht haben zu wollen... Körperlich bin ich ja fit, doch der Kopf ist kaputt - die Kinder sagen es nicht, aber ich weiß ja, dass ich jetzt dumm bin, weil ich so viel vergesse. Hol mich ab, ich warte auf dich...!

Deine Heidemarie

 

Altes Unrecht

Die kleinen, versteckt angelegten magisch aussehenden Zeichen in und um die Burgruine, wie auf dem Boden faszinierten Jasper bereits als Kind. Niemand von den sogenannten „Gelehrten“ aus dem Ort, oder der Gemeinde vermochte etwas darüber zu sagen. Immer blieb die Antwort aus, oder endete mit einem bedauernden Kopfschütteln.

Als junger Mann verließ Jasper seine Heimat. Heuerte auf einem Schiff an. Seine Laufbahn als Seemann begann. Viele Jahre befuhr er die Meere, bereiste Orte abseits der Touristenrouten, besuchte aufsehenerregende, wie weniger beachtete archäologische Ausgrabungsstätten und sammelte Hinweise, oder durchsuchte alte Schriften in Museen. Sein Ehrgeiz trieb ihn an, ruhelos bereiste er die Welt.

Mittlerweile war er Schiffskapitän. Sein finanzielles Polster konnte sich sehen lassen, wobei eine unerwartete Erbschaft es ihm erlaubte, sich vorzeitig zur Ruhe zu setzen und in seine Heimat nach England zurückzukehren.

„Na mein Junge, was meinst du, sollen wir die alte Ruine und den Park kaufen? Wir könnten es umbauen und uns dort zur Ruhe setzen,“ erzählte er seinen Golden Retriever, während sie sich dem Areal näherten.

Jasper hatte nie geheiratet, seine Partnerschaften waren nach kurzer Zeit in die Brüche gegangen, da es ihn Zeitlebens wie ein Nomade weiter zog. Etwas Wehmut gepaart mit Nostalgie bemächtigten sich seiner Gefühle. Wenn er die Ruine herrichten ließe, könnte er in einem Teil ein Museum einrichten. Auf diese Weise würde er etwas Geld einnehmen, um Kosten zu decken und gleichzeitig seine gesammelten Schätze aus der Welt ausstellen können.

Ein halbes Jahr später begannen Auf- und Umbauarbeiten. Sämtliche Besitzrechte waren auf Jasper übertragen und er stolzer Eigentümer einer kleinen Burganlage im Herzen von York.

Täglich beobachtete er den Fortschritt der Bauarbeiten, als sein Bauleiter auf ihn zulief:

„Wir haben etwas gefunden, oben im Turmzimmer unter den alten Dielen...“, berichtete er ihm atemlos. „Das müsst Ihr Euch ansehen...“

Erstaunt schaute Jasper den Mann an. „Ich komme“, sagte er knapp und folgte ihm auf den Turm.

Eine massive Kiste mit Eisenbeschlägen stand auf dem provisorisch gezimmerten Holztisch. Sie hatte die Größe eines Stiefelkartons und war mit einem starken Eisenschloss verschlossen.

„Wir wollten wissen, ob wir das Schloss aufbrechen sollen – vielleicht enthält sie Baupläne, die uns weiterhelfen...“, erklärte der Bauleiter und wartete auf Anweisungen.

„Versucht das Schloss mit den Schlüsseln zu öffnen, die wir hier in der Umgebung gefunden haben. Möglicherweise passt ja einer. Es wäre schade, wenn wir das kunstvolle Schloss zerstören oder die Kiste Schaden nähme!“

Keiner der gefunden Schlüssel passte. Einer der Bauarbeiter verstand sich auf die „Kunstfertigkeit“ Schlösser ohne Schlüssel zu öffnen...

„Versuchen Sie es“, Jasper gab nur zu gern seine Zustimmung, schließlich brannte auch er darauf, den Inhalt der Kiste zu untersuchen.

Endlich gab das Schloss nach.

Alte Karten, Briefe und vergilbte Fotos lagen darin.

„Da sind Baupläne“, staunte der Bauleiter. „Das Gemäuer wurde einige Male umgebaut, es gab sogar einen versteckten Raum...“, staunte er.

„Steht dort irgendwo der Name eines Vorbesitzers? Als ich das Land erwarb, gab es keine Hinweise, wem das Land vor mehr als einem Jahrhundert gehörte“, erklärte Jasper. „Nur weil es keine eingetragenen Erben zu geben schien, war es mir möglich, das Land zu erwerben.“

„Hier steht ein Name! Jacob von York. Ich kenne die Geschichte. Er lebte vor etwa zweihundert Jahren hier. Dieses Land gelangte durch eine Gaunerei in seine Hände. Man vermutet er gewann es durch Betrug beim Würfel- oder Kartenspiel. Der eigentliche Besitzer verließ daraufhin die Gegend, als er erfuhr, dass Jacob von York ein Falschspieler war und er nichts dagegen unternehmen konnte...“

„Wir sollten uns die Briefe ansehen, vielleicht erfahren wir dort mehr.“ Jasper hatte vor Aufregung hektische rote Flecken aus den Wangen.

„Hier ist ein Stammbaum...“, rief der Bauleiter begeistert und reichte ihm Jasper.

„Das glaube ich nicht...!“, stammelte Jasper plötzlich und wurde kreidebleich.

Verwundert sahen die Männer ihn an.

„Das kann nicht sein - Jacob von York ist mein Urahn....?!“

Sprachlos reichte er das Dokument weiter.

„Das ist unglaublich...!“, stammelte Bauarbeiter. „...die Prophezeiung bewahrheitet sich vielleicht doch...“, murmelte er noch leiser und schüttelte den Kopf.

„Was für eine Prophezeiung?“, argwöhnte Jasper hellhörig.

„Der Legende nach kehrt entweder der Geist des ursprünglichen Besitzers zurück, sobald ein Nachfahre derer von York einen Fuß auf das Gelände setzt oder der alte Haudegen Jacob von York selbst. Heimlich brachte er in und um die Ruine Schutzzeichen an. Angeblich sind es Abwehrzauber...! Aber vermutlich ist alles nur dummes Gerede!“

„Nein, es gibt diese Zeichen – ich selbst habe sie gesehen,“ sagte Jasper tonlos.

„Ich habe große Pläne und hoffte, hier meine Ruhe zu finden, mich auf meinen Altenteil zurückzuziehen. Stattdessen beschwöre ich jetzt mit meiner Anwesenheit einen Geist...“. Bitterkeit lag in seiner Stimme. „Ich habe mich in diesen Besitz verliebt.“

„Wenn es diese Zeichen gibt, wo habt Ihr sie gesehen? Wir haben bislang nur zwei Markierungen in der alten Küche entdeckt.“

„Sie sind überall auf dem Gelände. An uralten Bäumen, manche im Gebälk der Stallungen oder in Stein geritzt. Mal sehen sie wie Runen oder Keilschriften, dann wie Zeichnungen rund um die Pyramiden aus...“

Er schwieg einen Moment und hing seinen Gedanken nach.

„Gibt es Nachfahren des ursprünglichen Besitzers?“, fragte Jasper plötzlich.

„Da müsste man nachforschen. Ich kenne hier keine“, erklärte der Bauleiter.

„Bitte versuchen Sie Herauszufinden wer der Erbe ist oder ob es einen gibt. Ich habe da eine Idee...!“

In diesem Moment wehte der Wind ein Blatt durch das geöffnete Fenster. Als Jasper genauer hinsah entdeckte er das wiederkehrende Zeichen einer Rune. Er wusste was das bedeutete.

Die Rune stand für Vergeltung.

In der darauffolgenden Nacht stürzte eine frisch aufgemauerte Mauer zusammen, ein Maurer fiel Tags drauf vom Gerüst und brach sich das Bein. Andere Bauarbeiter hörten Geräusche, glaubten Geister zu sehen oder hatten andere Spukerlebnisse, die sie beunruhigten, Die kleinen Mischgeschicke bis zu den Unglücksfällen rissen nicht ab. Im Gegenteil sie nahmen immer mehr zu.

Jasper machte sich viele Gedanken. In der Zwischenzeit hatte sein Bauleiter immer noch nichts herausgefunden. Erst nach einigen Wochen konnte er eine Verwandte des ehemaligen Burgherren ausfindig machen und brachte sie gleich zum Bauplatz mit.

Katharina war eine einundzwanzigjährige Studentin, die als elternloses Kind in verschiedenen Waisenhäusern aufgewachsen war und absolut nichts von ihrer Familie oder deren Vorfahren wusste. Nachdem Jasper ihr die Geschichte, den Stammbaum, wie die Prophezeiung offenbarte und sämtliche Vorfälle beschrieb, sah sie ihn verständnislos an. Er schlug er ihr vor, auf das Gut zu ziehen, da ein Teil davon ursprünglich ihr Erbe sei. Die andere Hälfte wollte er bewohnen. Um ihr seine Bereitschaft wie den Willen zu ihrer Unterstützung zu beweisen, ließ er einen Vertrag aufsetzen, indem die Besitzverhältnisse nach seinem Tod komplett an sie übergingen.

Der Bann schien gebrochen. Die Bauarbeiten konnten reibungslos ohne weitere Verzögerungen ausgeführt werden.

Im Dezember, in der Nacht der Wintersonnenwende erschien weit nach Mitternacht der Geist des Jacob von York in Jaspers Schlafraum.

Schlaftrunken erwachte Jasper starrte ihn an und räusperte sich dann.

„Ich dachte mir schon, dass du irgendwann doch noch hier aufkreuzen würdest“, sagte er.

„Allerdings hoffe ich, du bist nicht gekommen, um mir Vorwürfe zu machen – denn ich habe mich bemüht, das alte Unrecht, was du einst begonnen hast, zu tilgen.“

„Ja, ja, ich gebe zu, ich war ein Spieler und Betrüger! Doch Ruhe wirst du nicht vor mir haben, da ich verbannt wurde, ewig hier herumzuspuken...!“

„Mmm, das klingt nach unruhigen Nächten für mich. Ich hab da einen Einfall, vielleicht gefällt er dir ja: Was hältst du davon, wenn wir die Zeit bis zum Morgengrauen bei einer guten Flasche Whiskey und einem Gespräch verbringen? Auf diese Weise könnten wir uns besser kennenlernen“, grinste Jasper während er zum Schrank ging und zwei Gläser auf den Tisch stellte...

„Einverstanden“, grinste Jacob von York, „aber nur, wenn du mir den Tabak für meine Pfeife spendierst...!“

 

Das Seelentier (Kurzgeschichte für ein Esotherik/Kräuterseminar)

Man sagt, jeder Mensch habe ein Seelentier was uns ähnlich ist, Stärken und Schwächen aufzeigt.. Das bekannteste Tier ist wohl der Wolf, er steht für Gerechtigkeit und Loyalität. Er schärft unseren Instinkt und unser Einfühlungsvermögen.

Ein weiteres bekanntes Tier ist der Adler – Majestätisch, alles überblickend mit dem Geist der Freiheit. Er steht für die Weit-, oder Voraussicht.

Zu den Seelentieren gehören aber auch nicht so bekannte Tiere wie Pandas, Papageien, Schmetterlinge und Skorpione oder Zebras…

Bisher hatte ich keine Vorstellung, welches Tier mit seinen Eigenschaften zu mir passen könnte.

Ehrlich gesagt, ich hatte mir auch kaum Gedanken darum gemacht. Erst als eine Freundin mich auf das Thema brachte, beschäftigte ich mich mit dieser Thematik. Bald schon war das Gespräch wieder vergessen, da der Alltag mit all seinen Facetten im Vordergrund stand. Bis zu jenem Tag, an dem ich meinem Seelentier begegnete:

Es war am späten Nachmittag im Sommer auf einer Landstraße. Das Tempolimit von 70 km/h war aufgehoben und es ging zügig voran. Rechts und links sah man offene Felder, in der Ferne Gehöfte, Stallungen, Unterstände sowie ein Waldgebiet.

Aus dem Nichts tauchte ein Schatten tief über meinem Autodach auf, tauchte vor dem Pkw und zwang mich, abrupt abzubremsen. Entgeistert schaute ich durch die Frontscheibe, ob ich den Schatten ausmachen könne. Etwa hundert Meter später setzte sich ein großer Vogel mitten auf die Fahrbahn, so dass ich gezwungen war weiter abzubremsen, um das Tier nicht zu überfahren.

Es war ein ausgewachsener Bussard. Ein wunderbares Tier mit hell gesperberten Brustgefieder, dunklerem Untergrund und wachsamen Blick. Er musterte mich ebenso erstaunt, wie ich ihn. Für einen Moment verharrten wir beinahe in stummer Bewunderung, ehe er sich langsam wieder in die Lüfte erhob und mit einem kleinen Schlenker über die Fahrbahn auf das Waldgebiet zuflog. In meiner anhaltenden Verwunderung über diese merkwürdig anmutende Episode, sah ich dem Bussard nach.

Im Nachhinein erwies sich diese Begegnung als lebensrettend für mich. Ein Autofahrer überholte auf der Gegenfahrbahn in der nächsten uneinsehbaren Kurve. Hätte der Bussard mich nicht aufgehalten, oder sollte ich „gewarnt“, sagen, wäre ich vermutlich in der Kurve mit dem überholenden Fahrzeug zusammengestoßen.

Ich weiß nicht, „welcher Wächter aus dem Reich der verborgenen Welt“, mir den Bussard sandte, doch mit Sicherheit kenne ich seit jenem denkwürdigen Erlebnis mein Seelentier.

 

Manchmal findet man alte Dinge, sowie diese Geschichte aus einer Schreibaufgabe wieder:

Thema: Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre...

... würde ich allen Menschen, denen ich, und die mir von Herzen zugetan wären, einen kurzen, persönlichen Brief schreiben, um ihnen zu danken...

- für ihre Freundschaft

- die glücklichen Momente, die wir geteilt haben

- und ihre Herzenswärme.

Es wäre ein stiller, aber beglückender Abschied für mich und hoffentlich eine tröstliche HInterlassenschaft für die Menschen, die mich vermissen werden.

 


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Am 08.07.2022 erschien im Paashaas-Verlag eine Anthologie mit Kindheitserinnerungen, auf die ich Euch schon jetzt aufmerksam machen möchte.

Kindheitserinnerungen hat wohl jeder: Streiche, neue Freundschaften, Eifersucht, Streit, Ängste, Verlust oder aber eine wunderschöne unbeschwerte Zeit bleiben im Gedächtnis. Diese wahren Begebenheiten erzählen, wie es so war, als die Autoren noch klein waren. Mein Beitrag ist ebenfalls dabei, er trägt den Titel

"Abenteuerferien bei Oma"

 

Diese kurze Story gehört in den Bereich Mutmachgeschichten

 

Falsche Scham!

Wenn die Menschen älter werden und bemerken, dass ihnen viele Dinge aus dem Alltag schwerer fallen, scheuen sie sich aus falscher Scham Hilfe anzunehmen oder Hilfsmittel zu nutzen. Niemand soll sehen, wie schwer ihnen gewisse Abläufe fallen, oder wie eingeschränkt sie mittlerweile sind. Vielleicht verschließen sie ja auch die Augen vor der Wahrheit nicht mehr jung, voller Energie und Beweglichkeit zu sein. Da passt es nicht ins Bild plötzlich einen Einkaufswagen nutzen zu müssen, weil die Kräfte nachlassen. Der „Hackenflitzer“ ist etwas für die anderen Leute, lieber schleppen sie weiterhin die schweren Körbe oder Taschen vom Einkauf nach Hause.

Ebenso verhält es sich mit medizinischen Hilfsmitteln. Um Himmels Willen, keine Stock oder gar eine Gehhilfe verwenden, wie den Rollator.... Die Angst vor dem Neuen, dem Handling mit diesem „Gerät“ im Alltag ist für sie genauso schlimm, wie einfach so weiterzumachen.

Alt werden ist nichts für Feiglinge sagte meine Oma immer. Auch sie hatte Schmerzen und gesundheitliche Probleme, doch wenn sie Hilfe benötigte, ließ sie es, wenn auch manches Mal mit Zähneknirschen zu. Ich weiß, es kostete sie Überwindung um Hilfe zu bitten und abzuwarten, bis die Kinder oder Enkelkinder Zeit hatten, mit ihr in die Stadt zu fahren. Dennoch genoss sie diese Ausflüge sehr. Auf den Fahrten in die Stadt führten wir oft ungewöhnliche Gespräche aus dem Augenblick oder vor einem Haushaltswarengeschäft aus der Situation heraus. Es kamen Dinge zur Sprache, die wir unter gewöhnlichen Umständen in der häuslichen Umgebung so vermutlich nie geführt hätten.

Wir besuchten Eiscafes, gingen mit dem Rollator auf den Friedhof um Gräber ihrer verstorbenen Nachbarn und Freunde aufzusuchen oder entzündeten in der Kirche eine Kerze. Ihre Lebensqualität veränderte sich durch die Ausflüge und sie begann diese Tage zu genießen. Mittlerweile war es egal, dass sie Hilfe benötigte. Mehr und mehr ließ sie zu, dass man ihr Wege abnahm ohne dass sie den Eindruck hatte, man wolle sie „bevormunden“ oder gar „das Zepter“ aus der Hand nehmen... Sie spürte, dass die tiefe Fürsorge und Liebe, mit der sie uns umhegte jetzt auf eine andere Art zurückkam und sie akzeptierte es mit allen Facetten.

 

 

Vor einigen Jahren gab es eine Schreibaufgabe, die mich sehr faszinierte. Den alten Entwurf fand ich zwischen diversen Kurzgeschichten.

Es ging dabei um einen "Nachruf", mehr verrate ich Euch an dieser Stelle aber nicht...

Nachruf: (Übung für ein Schreibseminar)

Er war Freund, Spielkamerad, Wegbegleiter und Seelentröster.

Manchmal auch "Dieb" wie "Ärgernis".

Möglicherweise lag diese Haltung aber auch in seiner adeligen

Herkunft begründet!

 

Trotz allem liebten wir ihn und seine darstellende Kunst.

Seinen Blick, bei Fehlern, mit den Augen um Entschuldigung zu bitten,

sowie seine Sanftheit, mit der er unser Herz erwärmte.

 

Wir werden ihn vermissen,

unseren guten, alten, wie treuen

Bernhardiner

Egbert H. von Gartenpforte

 

 

Osterbesuch (Aus dem Leben)

Ostern ist seit je her Reisezeit. Egal ob Urlaub oder Verwandtenbesuch. Die Familie meiner Freundin wohnte weit verstreut und an Ostern traf sich ihre Familie immer bei den Großeltern. So kam es, dass auch wir den einen oder anderen Freund um die Ossterzeit zum Brunch oder am Karfreitag trafen und statt zu grillen den Räucherofen anwarfen. Unsere Treffen waren immer lustig und geprägt von außergewöhnlichen Ereignissen. So zum Beispiel während unserer Umbauphase, als die Kinder im Garten einen Erdhügel zur Rutschbahn umfunktionierten und mit einer alten Plastikbadewanne wie auf eine Bobbahn herunterrunterrodelten... Nach fast zwei Jahren Coronabeschränkungen hatten wir wieder Kaninchen im Garten entdeckt. Dazwischen hatten sich in der Nacht sogar Waschbären bis in den Vorort getraut. Sie buddellten auf der Suche nach etwas fressbaren unseren halben Garten um. Selbst vor der großen Meisenkugel machten sie nicht Halt und rissen sie herunter, nachdem sie den Kompst bereits umgepflügt hatten. Das Hühnergehege wies ebenfalls von außen diverse Löcher auf, die wir mit schöner Regelmäßigkeit zuschütteten.

Nach einiger Zeit verschwanden die nächtlichen Besucher wieder von selbst und es gab auch keine weiteren Löcher mehr. Auch die Hühner randalierten nicht mehr so oft in den frühen Morgenstunden, weil sie aufgeschreckt vom Lärm anschlugen. Am Samstag vor Ostern, als wir draußen beim Bruchn sassen, erlebten wir eine tierische Überraschung:

Unsere Hühner hatten von innen aus dem Gehege heraus mal wieder versucht, einen Ausbruchsversuch zu unternehmen. Das nutzen die Spatzen für sich - sie drangen von außen ins Gehege hein und pickten all die Körner auf, die unser Federfieh mal wieder verschmähte. Ungehindert flogen die flinken Diebe unter dem Gehege ein und aus. Draußen vor dem Gehege standen zwei ratlos dreinblickende Jungtauben, die offensichtlich Hunger litten und schauten sich das bunte Treiben an. Dazwischen stolzierten und flatterten unsere Hühner hin und her - stetig bemüht einen der Spatzen zu fangen... weil sich der Futterneid bei ihnen regte. Als sich zuguterletzt eine Elster oben auf dem Gehege niederließ gingen selbst unsere Hühner in Deckung. Für einen Moment sah es so tatsächlich so aus, als wäre ein Teil der Vogelweilt hier zusammen gekommen, um sich gegenseitig zu besuchen...



 

Auf der Suche nach dem großen Glück (Aus dem Leben)

Wir alle sind Wanderer, Suchende und Hoffende.

Manch einer hofft auf den Lottogewinn, wieder andere auf eine Erbschaft, ein Dritter wartet auf die Rückmeldung seiner Bewerbung im gewünschten Ausbildungsberuf. ..! Wir alle haben Träume, Wünsche, Hoffnungen wie Ziele die verschiedene Lebensbereiche berühren.

Doch vergessen wir darüber nicht die kleinen Dinge des Lebens? All jene Dinge, die es lebenswert, angenehm und schön machen? Liebenswürdigkeiten, Freundlichkeiten, Hilfsbereitschaft und so viel mehr?

Es sind die kleinen Dinge im Leben, die sich zu „einem großen Glück zusammenfügen“ können:

  • Das erste Lächeln des eigenen Kindes/Enkelkindes

  • Ein freundlicher Zeitgenosse, der mir eine Türe aufhält, wenn ich schwer zu Tragen habe

  • Frühlings- oder Sommerblüten auf der Wiese

  • Freundschaften, die sich über Jahrzehnte bewährt haben

  • Ein gutes Gespräch mit den Kollegen beim Essen-

  • Ein lang erwarteter Brief/oder eine E-Mail

  • Dankbarkeit

Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen…

 

Es ist das irdische Glück, welches uns glücklich macht. Nicht die Suche nach dem einen, großen Glücksmoment.

Glück setzt sich aus vielen kleinen, einzelnen Momenten, Erlebnissen und Begebenheiten zusammen, die unser Herz tief berühren und die Seele streicheln.Glück lässt sich manches Mal schwer allein mit Worten beschreiben Man fühlt es. Wer es erfährt, strahlt es oftmals aus.

Glück ist ein Geschenk. Wir müssen nur lernen  es im Alltäglichen zu sehen.

 

 

Typisch Westfälisch (Schreibaufgabe - etwas typisches oder charakteristisches über Menschen/Umstände zu beschreiben)

Um die Westfalen, wie deren Mentalität ranken sich sich viele Mythen. Sind sie ein buntes Völkchen, sprechen eine eigene Sprache, was nicht nur heißen soll, „so wie ihnen der Schnabel gewachsen ist“. Man unterscheidet Dialektgruppen wie Mundartgruppen.

So heißt das Brot nicht überall Brot, nein, es kann regional auch „Broud“, oder „Brod“ genannt werden. In den vielfältigen Regionen Westfalens wird sogar noch „Platt gekürt“, also Plattdeutsch gesprochen.

Der Westfale“ ist vom Typ her „bärbeißig", eigenwillig wie eigenbrötlerisch, geschickt, arbeitssam, neigt jedoch zur Melancholie oder zwanghaften Lustigkeit...! Das sind nur ein paar charakterisierende Stichworte.

Die klischeehafte Beschreibung: „mit einem Westfalen muss man zuerst einen Sack Salz essen, ehe er zum Freund wird“, ist also nicht aus der Luft gegriffen....sondern fast schon ein geflügeltes Wort.

Als Typisch Westfälisch bezeichnet man einen ureigenen Menschentyp vom Wesen des "Sturkopp"!

Doch sind die Westfalen wirklich so unnahbar? Gehen wir der Sache doch mal auf den Grund!

Sie lieben, je nach Region, die Mettwurst aus dem Rauchfang – luftgetrocknet versteht sich. Sie feiern Schlachtfeste im Spätherbst und laden ein, dazu kommen selbstgemachtes Sauerkraut oder die deftige Graupensuppe mit gekochtem Rind- wie Rauchfleisch auf den Tisch.

Man mag es durchaus gesellig mit seinesgleichen, was wir an den vielen regionalen Spezialitäten wie Münsterländer Töttchen oder Pumpernickel plus luftgetrocknetem Schinken inklusive Korn sehen. "Grünkohl oder Pfefferpotthast" sind typisch deftige Bauerngerichte, die auch heute noch in Landgasthöfen serviert werden.

Im Grunde ist der „typische Westfale“ wohl ein eher zurückhaltender Menschentyp, der der Geselligkeit durchaus nicht abgeneigt ist und gutes Essen liebt. Er pflegt Traditionen wie Bräuche, was sich auch im Wesen der Schützenfeste oder im Jahreslauf der Kirchenfeste mit Frohnleichnamsumzügen oder zum Erntedankfest in den Kirchen spiegelt.

Von der landläufigen Vorstellung her, ist „der Westfale“ eher der bäuerliche Typ. Manch einer auch mit Land oder Waldbesitz. Hofläden oder Landcafes gehören, je nach Region sekundär dazu...

Mittlerweile hat sich ein Wandel vollzogen, Westfalen steht jetzt sogar für Whiskey, Designermöbel und hochwertige Küche.

Das Bild vom „urtümlichen Westfalen“ hat sich gewandelt, denn selbiger hat den Zeitgeist der Moderne längst erfasst...


 

Schutzgeister und Dachreiter

(Die Geschichte entstand im indirekten Kontext zu einer Ausstellung im Freilichtmuseum Detmold zum Thema Aberglauben)

Im Altertum und Mittelalter war es üblich, sein Hab und Gut vor bösen Geistern oder Urgewalten zu schützen. Bei meiner Recherche über Riten und Bräuche des Mittelalters stieß ich auf die „Dachreiter“ als Schutzzeichen oder Schutzgeister.

Das waren kunstvoll gefertigte Stein- oder Metallfiguren, mit großer Symbolkraft, die Hinweise auf den Beruf oder den gesellschaftlichen Stand des Besitzers geben konnten. Sie waren nicht nur Schmuck, sondern hatten religiöse wie abergläubische Hintergründe.

Ein Reiter mit Pferd galt im Mittelalter als Statussymbol der Kreuzritter. Verschiedenen Figuren sprach man besondere Eigenschaften zu. Es gab Ungeheuer, Fratzen und Tiere, die Schutz vor Feuer und Blitzen boten, wie andere Gefahren bannen sollten. Manche konnten sogar den Wohlstand fördern.

Dabei waren verschiedene Tiere fest im Volksglauben durch Kraft oder Fähigkeit verankert, so auch Hahn, Eule, Rabe oder Katze. Eule und Katze können in der Dunkelheit sehen, daher schützten sie die Bewohner in der Dunkelheit.

Dachreiter fanden sich meist am Westgiebel von Kirchendächern. Später an Rathäusern. Es waren filigrane Motive aus Stein, die von hoher Handwerkskunst zeugten.

Aber auch Zunftzeichen konnten gewissermaßen das Unheil abwenden, sofern christliche Symbole wie das Kreuz eingebunden wurden.

Aus Tonziegeln, bunter Keramik oder als Metallfiguren schmücken sie heute wieder Häuser wie Hotels. Hotelbesitzer nutzen gern den Schlafwandler, der den Gästen süße Träume bringen soll. Tauben bringen Frieden ins Haus.

Während der Hochzeit des Steinkohlebergbau spiegelten höhergestellte Steiger in den Zechensiedlungen gern ihren Wohlstand. Eigens aus Kupferblech gefertigte Figuren, die einen Bergmann mit Spitzhacke und Laterne zierten, fanden sich bis in den 60-er Jahren häufig auf Vordächern der Veranda.

 

Ein Rabe auf der Dachrinne, oder eine Phantasiefigur mit Angel soll Abschreckung für Tauben, Elstern wie Rabenkrähen sein.

Hexen auf ihrem Besen schützten vor dem bösen Blick oder anderem Unheil.

Wetterfahnen erfüllten vor Jahrhunderten einen ähnlichen Zweck, während sie heute mehr dekorative Windspielereien sind. Handwerker und Händler legten ihre Augenmerk auf handgeschmiedete Zunftzeichen, wie man sie heute oftmals noch in mittelalterlichen Stadtkernen entdecken kann.

Der Mythos dieser Dachfiguren hat sich bis heute gehalten, die alte Tradition der Schutzgeister lebt wieder auf.

In unseren Zeiten ist noch eine weitere magische Wirkung hinzugekommen:

Die oft aufwändig gestalteten Kunstwerke üben eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf den Betrachter aus...!

 

 

Das Glück des einfachen Lebens

Zugegeben, als Kinder störte uns das Plumpsklo versteckt im Garten der Urgroßmutter nicht so sehr.

Jedoch die fetten Spinnen, die im Frühjahr hinter den Holzbalken und aufgefleiten Kaminholzscheiten hervorkamen, störten mich schon ein wenig. Der Spruch meiner Cousins: „Die fressen nicht viel...“, war dabei wenig hilfreich. Was soll ich sagen, ich war halt mehr Stadtkind.

Sie wuchsen auf dem Land zwischen Gemüsegarten, Landmaschinen und Tierstallungen auf. Der Geruch von Dung, Kuhfladen und Plumpsklo hatte ihre Nasen abgehärtet...

Eine meiner Tanten vertrat den Standpunkt, Kinder müssen dreckig sein, nur dann werden sie gegen Krankheiten abgehärtet! Nun, wir alle spielten draußen im Feld, den Ställen oder der Kieskuhle.

Leider waren es ihre Jungs, die im Sonntagsstaat barfuß über die Wiese durch Kuhfladen zum See liefen, um am fünfundachtzigsten Geburtstag der Urgroßmutter zu angeln...

Das Bild, wie die Zwei mit den Fischen im Eimer, feuchten hochgekrempelten Hosenbeinen, Drecksfüßen und zerzausten Haaren erschienen, sehe ich heute noch in meiner Erinnerung, ebenso wie das Gezeter meiner Tante.... Die Blamage vor all den auswärtigen Gästen war zu groß und zu viel für ihre strapazierten Nerven...!

Unser Urgroßvater meinte es gut und wollte die Situation abmildern, indem er erklärte, sie solle sich nicht so aufregen - Ihre Söhne passten halt in keine Form. Das er die Situation damit verschlimmerte, fiel ihm in diesem Augenblick wohl nicht auf.

Heute, Jahrzehnte später, kehre ich leider nur selten an diesen Ort zurück.

Doch wann immer ich dort bin, habe ich das Gefühl, die Zeit ist stehen geblieben.

Die winzigen Häuser im Ort, mit ihren verwunschen wirkenden Vorgärten in denen Kletterrosen und Clematis am Eingang stehen. Die üppig blühenden Vorgärten mit Pfingstrosen, Storchenschnabel und Schleierkraut, in denen dank des untergegrabenen Hühnermist oder den Pferdeäpfeln beinahe alles gedieh. Fast nichts hat sich dort verändert. Es ist der Charme der Alterslosigkeit unserer Kindheit, die wir alle zwei Jahre mit einem Treffen in der Abgeschiedenheit des Dorflebens der Urgroßeltern zelebrieren.

Das Haus riecht noch wie damals. Nach Eichenholz und Asche, Bohnerwachs und Mottenkugeln in der Kommode.

Es ist die Schlichtheit, welches das Gefühl von Heimkommen vermittelt. Spätestens wenn der Kaminofen angeheizt, und der von Hand gebrühte Filterkaffee auf dem Tisch steht, vergessen wir langsam die Hetze des Alltags.

 


Unerwarteter Osterbesuch

Es war der 11. März 2020, als die erste Welle der Coronapandemie über das Land und die Welt schwappte. Ein eigenartiges Gefühl. Geschäfte und Gastronomie blieben geschlossen, auch über Ostern. ware Menschenansammlungen zu meiden, die Kontakte zur Familie und Freunden waren erheblich eingeschränkt. Was nutzte es zu jammern. Prinzipiell ging es uns gut - wir hatten ein Dach über dem Kopf, eine warme Wohnung, konnten Lebensmittel einkaufen. Zudem standen uns sämtliche Medien zur Kommunikation zur Verfügung.

 

Begriffe wie Homeoffice und Homeskooling prägten ab sofort den Alltag. Der Schreibtisch im Schlafzimmer, die Kindergartenkinder in der Küche... Alte Spiele wurden neu entdeckt, es wurde improvisiert und gebacken, gebastelt und man besann sich auf das Wesentliche.

Den Kindern die Zeit zu vertreiben war nicht immer einfach. Wer keinen Garten besaß musste mit Geduld und Erfindungsreichtum neue Wege der Kinderbelustigung finden...

 

Die Kinder meiner Freundinnen bastelten Osterkarten oder stellten selbstgemachte Obstbaumanhänger für die heimischen Vögel her. Sie verkochten Schmalz mit Sonnenblumenkernen, gehackten Haselnüssen und Graupen. Finken und Meisen nahmen die Zusatznahrung dankbar an. Letztendlich trauten sie sich sogar dichter ans Haus. Die Tiere eroberten manch ein Territorium im Wald, Wiesen oder Parks zurück, da sich erheblich weniger Menschen im Freien aufhielten. Eichhörnchen spragen von Baum zu Baum und eines Morgens stand sogar ein Waschbär auf der Mülltonne in der Nachbarschaft...

Als unsere Kinder am Ostersonntag in der Küche standen und mit faszinierten Gesichtern in den Vorgarten starrten, war offensichtlich etwas Merkwürdiges im Gange. Normalerweise interessierten sie sich nicht für das, was im Vorgarten vor sich ging...!

Unter den Büschen, gut versteckt saß ein Vierbeiner und zeigte seine Kehrseite.

Das ist ein Hase!“, wisperte eines der Kinder.

Nee, das ist ein Hund ohne Leine,  der nach etwas sucht oder ausbuddelt – pass auf, gleich kommt sein Besitzer hinterher...“, war die altkluge Antwort des älteren Geschwisterkindes.

Der erwartete Hundebesitzer kam nicht, aber der vermeintliche "Hasenhund" drehte sich langsam um, starrte uns entgeistert an und entpuppte sich als Kaninchen.

Keiner von uns bewegte sich.

Das Tier drehte sich und hoppelte gemächlich die Treppe hinauf und schnupperte an der Haustüre. Nachdem es sich offensichtlich genug umgesehen hatte, besuchte es die Nachbarn.

Drei neugierige Kinder stürzten zur Türe und stolperten fast über eine Geschenktüte mit bunten Schokoladeneiern...

Ob Kaninchen auch Ostereier ausliefern? Diese Frage haben wir bislang noch nicht klären können...!

 


Gevatter Tod sucht eine Frau (Erschien im Sperling-Verlag - Gruselmärchen)


Vor sehr langer Zeit wurde einem Köhler und seiner Frau ein Kind geboren. Das Kind war leider ein Mädchen und nicht der erhoffte Sohn. Die Eltern waren enttäuscht, denn es stellte sich kein weiterer Nachwuchs mehr ein. Irgendwann bemerkten die Eltern zudem, dass ihre hübsche Tochter Viola sehr schlecht sehen konnte. So nahmen sie ihe Kind täglich mit in den Wald, während sie ihrer Arbeit nachgingen.

Oft saß das Mädchen auf einem bemoosten Baumstumpf und sang mit wunderschöner Stimme. Manch Wanderer lauschte ihren Liedern verzückt lächelnd. Schon bald erzählten sich die Leute, dass eine Elfe im Wald lebe, die mit ihrem Gesang die Menschen verzaubere. Tagein, tagaus verbrachte Viola im Wald, daher kannte sie fast alle Geräusche, wie das vage Farbenspiel des Waldes. Doch was nach einer zauberhaften Kindheit klingt, wurde Viola bald eintönig. Je älter sie wurde, umso mehr langweilte sie sich. So suchte sie sich eines Tages einen langen Stock als Stütze und tastete langsam vorwärts.

Zur gleichen Zeit saß der Tod an der Grenze seines Reiches auf einem Wegestein und blickte sehnsüchtig zum Menschenreich. Er hoffte, dass jemand freiwilig die Grenze in sein Reich überschreiten würde. Er holte die Menschen ab, wenn ihre Zeit gekommen war. Doch er hatte wenig zu tun, war einsam und suchte eine Gefährtin...

Er blickte an sich herab und bemerkte, wie beängstigend, wie angsteinflößend er wirkte. Manch einer, den er abgeholt hatte, beklagte sich über den Geruch, der ihm anhaftete: Moder und Verwesung. So beschloss er, sich im ersten Grün der Duftveilchen zu wälzen, um die Ausdünstung zu überdecken. Nachdem er eine passende Stelle gefunden hatte und darin herumtollte, war er zufrieden. Sein weiter Kapuzenmantel verdeckte zum Glück den knochigen Körper.

Viola war ein gutes Stück vorangekommen, bis sie zu einer Weggabelung kam.

Auf einem Wegestein konnte das Mädchen schemenhaft einen Wanderer sitzen sehen.

"Bitte lieber Wandersmann, sagt mir, wohin führt dieser Weg?", fragte sie.

Verwundert sah der Tod zu ihr auf. Er schaute sich das Mädchen genauer an und stellte fest, dass sie beinahe blind war.

Er räusperte sich und antwortete: "Der Weg führt direkt in mein Reich."

"Oh, dann seid Ihr gewiss ein Fürst oder gar ein König", stellte sie erfreut fest. "Wie abenteuerlich!"

"Ja, ich bin der Fürst der Unterwelt! Doch nun, da Ihr wisst, wer ich bin, seid so nett und nennt mir Euren Namen."

"Ich war unhöflich, mein Name ist Viola. Aber verzeiht mir, von Eurem Reich habe ich noch nie gehört, also schätze ich, es ist ein kleines Herrschaftsgebiet."

Gevatter Tod war für einen Augenblick sprachlos.

"Das ist meine Chance", dachte er. "Wenn ich es geschickt anstelle, geht sie freiwillig mit mir."

"Ja, es ist nicht groß, aber ich bin auf der Suche nach einer Frau, die mich lieben kann."

"Warum solltet Ihr keine Frau finden? Ihr herrscht über Euer eigenes Land und nennt es Euer Reich."

"Nein."

"Nein? Das verstehe ich nicht!"

"Weil ich dem Tod geweiht bin", erwiderte er vorsichtig.

"Das ist traurig, aber es schreckt mich nicht, auch ich habe einen Makel", erklärte sie. "Ich bin fast blind. Für mich ist es nicht wichtig, wie jemand aussieht. Meine Eltern sind alt, sie wünschen sich einen Sohn, der sie versorgt, aber das kann ich nicht. Sie müssen bis zu ihrem Ende arbeiten, denn jemanden wie mich will niemand zur Frau nehmen."

"Wenn Ihr mit mir kämet", sagte er bedächtig, dann würde es Euren Eltern wie auch Euch an nichts fehlen."

"Könnt Ihr mir versprechen, bis zu ihrem Ende für sie zu sorgen? Wenn ja, dann könnte ich mir vorstellen, mit Euch zu gehen."

"Ich verspreche es, wenn Ihr nur mit mir kommen würdet..."

"Dann will ich mit Euch gehen, da ich als kranke Tochter eine Last für sie bin!"

Er griff nach ihrer Hand und begleitete sie zurück zu den Eltern, die immer noch gebückt im Wald arbeiteten. Diese erschraken heftig, als sie sahen, wer neben ihrem Kind stand. Sie dachten, der Tod wolle sie mit sich in die Unterwelt nehmen.

"Vater, Mutter", rief Viola - "ich habe Gevatter Tod getroffen und werde mit ihm in sein Fürstentum gehen. Er versprach mir, dass es Euch an nichts fehlen wird. ihr müsst dann nicht mehr so schwer arbeiten!"

"Nein, Kind! Geh nicht", rief die Mutter entsetzt.

Verzweifelt sagte der Vater: "Lieber arbeite ich, bis ich tot umfalle..."

Traurig versuchte Viola die Eltern anzusehen und schüttelte den Kopf. "Ich werde mit ihm gehen, denn ich gab ihm mein Versprechen und er mir das Seine!"

Gevatter Tod sagte leise: "Ich werde sie also mitnehmen und für sie sorgen."

Dabei war das gruselige Klappern seiner Knochen zu hören. "Geht heim, seht, was ihr dort vorfindet. Nie mehr müsst Ihr zum Torfstechen oder Holz schlagen hierher kommen..."

Dann breitete er seinen Mantel aus, zog Viola an sich und war im selben Augenblick mit ihr verschwunden.

Die Eltern waren entsetzt. Sie weinten aus Verzweiflung, riefen laut Violas Namen. Doch sie tauchte nicht mehr auf. Traurig machten sie sich auf dem Heimweg und betraten ihre ärmliche Behausung.

Auf dem Tisch lag ein Koffer mit Goldmünzen, doch sie konnten sich nicht freuen. ihre geliebte Viola war fort und würde nie zurückkehren.

Nach zwei Tagen gingen beide völlig verzweifelt zurück in den Wald zu der Stelle, wo der Tod und Viola sie verlassen hatten. Gevatter Tod wartete dort auf sie.

"ich dachte mir, dass Ihr kommen würdet", sagte er mit knarzender Stimme.

Eine unheimliche Stille lag in der Luft, es war so, als würde der Wind für einen Moment den Atem anhalten.

Gevatter Tod holte seine Sense unter dem Umhang hervor, sprach seine drei magischen Worte und nahm beide mit sich in die Unterwelt.

Die Halskette von Violas Mutter behielt er bei sich und gab sie Viola einige Tage später. Fassungslos versuchte Viola ihn anzuschauen.

"Sie wollte sich niemals von ihr trennen, auch nicht im Tod", stellte sie erstaunt fest.

"Dennoch gab sie mir die Kette für dich mit - als Hochzeitsgeschenkt- also trage sie", erwirderte er barsch.

Viola ließ sie in ihre Kleidertasche gleiten: "Erst wenn ich ein neues, passendes Kleid dazu habe, werde ich sie tragen", entschied sie. "Irgendwann, wenn ich es habe, gehe ich heim um meine Eltern zu besuchen, damit ich mich von Herzen dafür bedanken kann."

Bestürzt sah der Tod sie  an, antwortete aber nicht, dann wandte er sich von ihr ab.

Viola spürte, dass ihre Mutter sich nicht freiwillig von der Kette getrennt hatte.

"Die Gefühle des Trägers gehen auf das Schmuckstück über", ...so hatte es ihre Mutter immer gesagt. Sie spürte grenzenlose Furcht, als sie die Kette in der Hand hielt. Eine böse Ahnung beschlich sie.

In der Nacht, als Gevatter Tod tief und fest schlief, schlich sie zur Truhe, wo er seine Sense verwahrte. Sie hatte den Tod einmal heimlich belauscht und sprach die drei magischen Worte. Dann wartete sie auf das, was geschehen würde. Sie hörte plötzlich die Stimmen ihrer Eltern.

In diesem Moment wusste sie, dass er alle betrogen hatte. Viola wurde wütend wie nie zuvor im Leben.

Plötzlich nahm sie den Modergeruch und die Verwesung wahr, die von ihrem schlafenden Gefährten ausgingen. Er hatte alle getäuscht.

Erbost schlich sie sich mit der Sense in das gemeinsame Schlafgemach zurück und drosch damit auf den schlafenden Tod ein. Gevatter Tod bäumte sich einmal kurz auf, dass seine Knochen klapperten und verschwand danach in sein Schattenreich.

In diesem Moment veränderte sich aber auch Viola. Ihre Hände wurden dünn und knochig. Alles an ihre knackte und klapperte plötzlich. Sie flüchtete noch in derselben Nacht aus dem Schattenreich, nahm die Sense zu ihrem Scutz mit und irrt seither durch die Welt.

Man erzählt sich seit dieser Zeit, der Tod sei eine Frau mit einer wunderschönen Stimme.

 

(Diese Geschichte erschien im Sperlingverlag, sie belegte den 2. Preis im Wettbewerb).


Alle Rechte für die hier aufgeführten Texte liegen bei Dorothea Möller

 

 


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